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Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Titel: Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Klos
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sein muss. Das Nikolausgewand ist übrigens keineswegs aus der Faschingskiste gegriffen – von wegen. Es ist ein echtes Bischofsgewand aus Rom und sieht wirklich beeindruckend aus.
    Zuerst haben wir ein Lied gesungen: »Lasst uns froh und munter sein …« Anschließend fragte der Nikolaus, ob jemand seinen Stab halten wolle. Yara mit ihren dreieinhalb Jahren trat einen Schritt zurück. Ihr flößte der Nikolaus zu großen Respekt ein. Tom war damals fünf, er traute sich, den Stab festzuhalten. Ann-Kathrin, mit ihren elf Jahren gerade in der Vorpubertät, schien die ganze Angelegenheit nur peinlich zu sein. Es war das letzte Mal, dass sie zu diesem Fest mitkam. Man konnte deutlich sehen, wie fehl am Platz sie sich fühlte.
    »Kennt ihr eine Geschichte, die ihr dem Nikolaus erzählen könnt?«, fragte der Nikolaus die Kinder. Kopfschütteln, Daumen lutschen und auf den Boden schauen waren die Antworten.
    »Na gut. Dann erzähle ich euch eine Geschichte.«
    Und wie schon die letzten Jahre erzählte der Mann in dem feierlichen Gewand, wie er einst die Menschen in der Stadt Myra vor einer großen Hungersnot bewahrt hatte. Danach erst ging der Nikolaus zu dem allseits erwarteten Programmpunkt über. Er schlug sein heiliges, mit einer Goldfolie umwickeltes Buch auf. »Ich schau mal, ob da was über euch drinsteht«, tönte er geheimnisvoll.
    Von uns Eltern bekommt der Nikolaus immer einige Tage zuvor einen Zettel, auf dem die positiven und die negativen Eigenschaften der Kinder aufgelistet sind. Die positiven Eigenschaften müssen in der Überzahl sein, weil man die Kinder natürlich nicht beschämen will.
    Zuerst kam Yara an die Reihe. »Du bist ganz lieb zu deiner kleinen Schwester, steht hier. Toll. Und du hilfst gerne beim Kochen. Super. Außerdem kannst du auch schon zählen und ein paar Buchstaben schreiben. Große Klasse. Und du gehst gern in den Kindergarten und hast dort viele Freunde. Das ist sehr schön.«
    Yara vergrub sich in meinen Schoß und lutschte am Daumen.
    »Was wünschst du dir denn vom Christkind?«, fuhr der Nikolaus fort.
    Yara rannte kurz weg und kam mit einem Playmobil-Katalog zurück. Sie blätterte darin herum und zeigte schließlich auf die Krankenhausstation. Alle lachten.
    »Dann richte ich das dem Christkind aus«, versprach der Nikolaus.
    Anschließend ging er zu den nicht so schönen Dingen über.
    »Hier steht aber auch, dass du beim Essen nicht so ruhig am Tisch sitzen bleiben kannst, stimmt das? Außerdem bist du ab und zu ein bisschen faul, wenn es ums An- und Ausziehen geht. Da lässt du dich gerne bedienen. Und du machst abends im Bad schon mal Theater, wenn der Papa dich ins Bett bringen will. Das sollte nächstes Jahr besser sein, Yara.«
    Sie grinste verlegen und nickte. Meine Eltern und Schwiegereltern nickten auch, und zwar überdeutlich. Der Nikolaus blätterte die Seite um.
    »Die Leni. Die Leni ist fünf Monate alt.«
    Leni saß auf dem Schoß von Nicole und schaute mit großen Augen in der Gegend herum.
    »Sie isst sehr gut – steht hier geschrieben. Und sie geht brav ins Bett und schläft meist durch. Das sieht man dem Kind auch an, es ist ein richtiger Wonneproppen. Da kann ich nur sagen: Leni, mach weiter so! Wenn die Untaten kommen, dann kommt der Nikolaus wieder und erzählt was darüber.« Wieder allgemeines Gelächter.
    Zum Glück sparte der Nikolaus die mittlerweile hochrot angelaufene Ann-Kathrin aus.
    Jedes Kind bekam dann einen Teller mit Süßigkeiten und ein kleines Geschenk überreicht, und zum Abschied wurde »Nikolaus ist ein guter Mann …« geträllert.
    Für die Erwachsenen gab es – wie sollte es bei uns auch anders sein – wieder etwas zu essen. Der Nikolaus bekam im Flur einen selbst gebrannten Mirabellenschnaps.
    »Prösterchen!«, hörte ich Ralf und seinen Freund im Hintergrund sagen und die Gläser klirren.

KAPITEL 14
    W ie jeden Morgen brachte ich zusammen mit Leni Yara in den Kindergarten. Als wir gerade wieder zu Hause waren – es muss so gegen halb zehn gewesen sein –, klingelte das Telefon. Es war Irene, meine Nachbarin.
    Irene war mit einem Somalier verheiratet, zusammen hatten sie vier Mädchen, die wie die Orgelpfeifen zwei bis drei Jahre auseinander waren und alle super süß aussahen. Ich bewunderte Irene sehr. Ihr Mann war die meiste Zeit auf Montage, und sie musste den ganzen Haushalt allein managen und ihre Kinder fast ohne Unterstützung großziehen. Außerdem arbeitete sie stundenweise für einen ambulanten Pflegedienst. Ich

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