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Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Titel: Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Klos
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Schwester hob Leni hoch und legte sie nochmals auf die Waage. Das Ergebnis blieb dasselbe: 3080 Gramm. Es klang wie ein lauter Unkenruf, und ein schreckliches, mir mittlerweile sehr vertrautes Gefühl meldete sich wieder an.
    »Ein Pfund leichter – das gibt es doch nicht«, warf ich mit ängstlichem Unterton ein. »Sie hat all die Tage sehr gut getrunken. Sie hat auch nicht viel gespuckt oder ausgeschieden.«
    »Das ist wirklich seltsam«, bestätigte die Ärztin. Sie überlegte einen kurzen Moment, um dann zu schlussfolgern: »Aber so genau wird ja auch nicht gewogen.«
    »Aber mein Mann war beim Wiegen dabei«, beteuerte ich.
    »Es kann aber keine andere Erklärung geben«, entgegnete die Ärztin, und damit war für sie die Sache erledigt.
    Die Schwester machte hinter das Geburtsgewicht noch ein großes Fragezeichen. Dann gingen sie zum nächsten Programmpunkt über – der Fersenblutabnahme.
    Das kann einfach nicht sein! , dachte ich wie gelähmt. Merkt denn hier niemand etwas?
    Unruhig stellte ich mich wieder an die Seite, hielt es aber nicht aus, einfach nur zu warten, bis die Untersuchung zu Ende war. Ich schaute mich nervös um und stellte fest, dass in einem hinteren Bereich des großen Zimmers mehrere Säuglingsbettchen standen. Längst hatte ich mich auf der Station umsehen wollen, ob meine Leni nicht irgendwo in einem Bett mit einem falschen Namensschild lag. Also tat ich so, als würde ich gelangweilt, mir die Wartezeit vertreibend, ein wenig herumschlendern. Ich wollte nicht, dass Schwester Marion oder die Ärztin oder irgendeine andere Schwester etwas mitbekamen. Wichtiger, als weitere Indizien für meine untrügerische mütterliche Intuition zu sammeln, war es für mich in dem Moment, dass das Personal nicht denken könnte, ich sei eine paranoide Frischmutti mit postnatalen Wahnvorstellungen. Aber war das Woandershingehen in diesem Moment nicht schon suspekt genug? Jede Mutter leidet mit ihrem Baby mit und versucht es zu trösten, wenn sein kleiner, nichtsahnender Körper zum ersten Mal in seinem Leben mit einer Nadel gestochen wird. Ich überlegte nicht weiter: Ich nutzte den Moment, als sowohl die Ärztin als auch Schwester Marion sich konzentriert über das Baby beugten, und ging zu den Säuglingsbettchen hinüber.
    Fünf oder sechs Bettchen mit schlafenden Babys standen an einer Wand. Ich fing an, die Reihe abzugehen, und schon beim zweiten Bett blieb ich abrupt stehen.
    Yara . Da liegt Yara , dachte ich. Genauso sah Yara als Säugling aus, und Leni glich ihrer großen Schwester fast bis aufs Haar, als sie zur Welt kam. Und dieses Baby hatte die gleiche rundlich ovale Kopfform, den gleichen Haaransatz und auch die Lippen wie meine Große. Völlig geschockt verharrte ich vor dem Bettchen. Ein fürchterlicher Moment! Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich dachte immer wieder nur, dass es nicht sein kann, dass hier ein Kind liegt, das zufälligerweise so aussieht wie meins.
    »Frau Klos?« Schwester Marion stand plötzlich neben mir.
    Verzweifelt sagte ich: »Schauen Sie doch, Schwester Marion. Das Kind hier, das sieht eher so aus wie das Kind, das ich zur Welt gebracht habe.«
    In ihrer mütterlichen Art legte sie ihre Hand auf meinen Arm und lächelte. »Ach, Frau Klos. Das kann es aber gar nicht sein, weil das gerade erst von der Kinderintensivstation gekommen ist.«
    Ich schaute auf das friedlich schlafende Baby und schüttelte nur noch den Kopf. Argumentieren konnte ich nicht mehr, es fiel mir nichts mehr ein.
    Die Ärztin war immer noch mit Leni beschäftigt und schien von meinen Befürchtungen nichts mitbekommen zu haben, oder zumindest tat sie so. Ich seufzte, da ich einfach nicht mehr wusste, wem oder was ich noch glauben sollte – meiner Intuition als Mutter oder den angeblichen Fakten.
    Schwester Marion blieb nicht verborgen, wie sehr mich meine Zweifel quälten. »Jetzt machen Sie sich mal nicht verrückt, Frau Klos. Das da drüben ist Ihr Kind. Kommen Sie …«
    Dann schritt sie voraus zum Untersuchungstisch, um der Ärztin weiter zu assistieren. Ich entschied mich, den »Fakten« zu glauben. Wenn dieses Baby gerade erst auf die Säuglingsstation gekommen ist, kann es ja nicht meins sein , sagte ich in Gedanken zu mir selbst und ging zurück zu meinem Kind.

KAPITEL 10
    A m nächsten Tag durften Leni und ich das Krankenhaus verlassen. Ralf kam mit Yara, um uns abzuholen. Auch er war froh, dass endlich unser Alltag als »große Familie« beginnen konnte.
    Auf der Fahrt nach Hause

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