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Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Titel: Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Klos
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Saarländisch »Kläni Grott«, was so viel heißt wie: Kleine Kröte. Wenn es ein Fußball-T-Shirt gewesen wäre, hätte ich nichts gesagt. Aber das da war mir wirklich zu viel saarländischer Nationalstolz.
    Erst nach einer Weile nahm ich die anderen im Raum wieder wahr. Vanessas Mutter, die schätzungsweise zehn Jahre älter als ich war, sagte immer wieder, wie süß Leni doch sei. Vanessa machte einen hilflosen und eingeschüchterten Eindruck. Prof. von Rhein versuchte, ihr die Hemmungen zu nehmen. »Willst du die Leni nicht mal auf den Arm nehmen, Vanessa?«
    Vanessa nickte zögerlich, und Ralf legte ihr Leni in den Arm. Unsicher stand sie mit dem Baby da. Im Gegensatz zu unserer leiblichen Lina musste man Lenis Köpfchen immer noch stabilisieren. Lina war Leni in allem weit voraus. Sie war ganz aufgeweckt und schaute ständig hin und her und zappelte, im Gegensatz zu Buddha Leni, die mal wieder die Ruhe in Person war.
    Ralf packte unsere Kamera aus und machte Fotos von Lina.
    Die ganze Situation war so befremdlich, dass ich gar nicht das Bedürfnis verspürte, mein Kind zu herzen. Es war, als ob ich mir selbst von außen zuschauen würde. Sicherlich wäre das anders gewesen, wenn ich mit ihr allein gewesen wäre. Fürs Erste reichte es mir aber, sie anzuschauen. Ralf war überraschenderweise derjenige von uns beiden, der Lina gleich Nähe schenken konnte, ganz ohne Hemmungen. Ich konnte deutlich spüren, dass es nun auch für ihn kein Zurück mehr gab. Nun würde er sein Kind genauso sehr haben wollen wie ich.
    Irgendwann wurden die Kinder unruhig – sie bekamen Hunger. Vanessa griff in ihre Babytasche und nahm eine Packung Babymilch mit Schokogeschmack heraus. Ich dachte, ich falle gleich vom Stuhl! Nicht, weil meine Tochter anscheinend nicht gestillt wurde, sondern weil es für mich ein absolutes No-Go ist, einem sechs Monate alten Baby Kakao zu geben – egal, ob es allergiegefährdet ist oder nicht. In Sachen Babynahrung hört meine Muttercoolness einfach auf. Da habe ich ganz genaue Vorstellungen, wie es sein muss. Ralf schaute mich an und grinste, weil er wusste, was ich gerade dachte. Er musste sich fast auf die Lippen beißen, um nicht loszuprusten.
    Zwei Jahre lang bekam Yara keine Süßigkeiten, keine Gummibärchen, keine Kekse, nichts. Erst dann fing ich langsam mit dem Zucker an, zum Beispiel, wenn wir irgendwo eingeladen waren. Ralf fand das immer viel zu rigoros und dogmatisch. Und jetzt das!
    Um Leni zu stillen, setzte ich mich etwas abseits – es wäre mir unangenehm gewesen, dies vor allen zu tun. Ich bedauerte es sehr, dass meine leibliche Tochter niemals in den Genuss von Muttermilch kommen würde. Denn mir war auch klar, dass ich mir nicht einzubilden brauchte, dass Lina als Flaschenkind noch meine Brust nehmen würde. Damit musste ich mich wohl oder übel abfinden. Diese Gedanken taten mir weh.

    Nach ungefähr einer halben Stunde hatten wir wieder Einzelgespräche mit Prof. von Rhein, um das Erlebte zu verarbeiten. Ohne zu zögern, sagte ich ihm, dass ich schockiert sei über das, was meine Tochter zu trinken bekäme. Es sei ja klar, dass sie, wenn sie Kakao trinke, sicher auch mit gesüßten Tees, Kunstmilch und anderem ungesunden Zeugs gefüttert würde.
    »Vanessa macht das komplett anders, als ich es mit Lina gemacht hätte.«
    »Frau Klos, glauben Sie mir – es gibt Sachen im Alltag der Kinder, die sind weitaus schlimmer als Kakao trinken. Ihrem Kind geht es im Vergleich zu sehr vielen Kindern verdammt gut. Die gesüßten Getränke sind wirklich nichts, worüber Sie sich aufregen müssen«, redete er mir ins Gewissen, um mich runterzubringen.
    Ich war mir durchaus der Tatsache bewusst, dass er als Jugendpsychiater tagtäglich die schlimmsten Fälle vor sich sitzen hatte. Und ich war auch voller Dankbarkeit und Demut, dass es uns so gut ging. Aber wir litten nun mal nicht unter häuslicher Gewalt oder sexuellem Missbrauch. Natürlich jammerte ich auf einem anderen Niveau. Aber dennoch: Für mich war dieser Zuckerkram, den mein Kind bekam, schon schlimm genug.
    »Der Kakao bringt Ihr Kind nicht um. Seien Sie froh, dass es Ihrem Kind so gut geht und es geliebt wird«, versuchte er nochmals meine Aufgebrachtheit zu relativieren.
    Daraufhin gab ich Ruhe – auch wenn ich die Neurodermitis-Ekzeme schon vor mir sah.
    Wir vereinbarten, dass wir uns alle regelmäßig an diesem Ort treffen würden. Dann tauschten Vanessa und ich noch unsere Handynummern aus und verabschiedeten uns mit einer

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