Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
Termin mit ihm wurde auf den übernächsten Tag gelegt.
Und wie lange bleiben wir noch in Sankt Thomas? Ich wäre gern länger geblieben, denn für mich kam es gerade richtig, dass ich mich in unserer jetzigen Situation auf das Wesentliche konzentrieren konnte und mich nicht mit Alltagskram belasten musste.
»Zu Hause wartet doch nur Stress«, sagte ich zu Ralf. »Dann geht die ganze Kocherei und all das wieder los.«
Ralf, wie es seine Art ist, blieb bei den praktischen Fakten. »Ich weiß, aber die Fahrerei mit den Kindern ist noch stressiger. Wenn wir ständig von der Pfalz zu den Terminen ins Saarland und wieder zurück fahren müssen, überleg mal, wie viele Kilometer wir dann schrubben.«
Okay, das war ein Argument, auch wenn ich die Fahrerei in Kauf genommen hätte. So einigten wir uns darauf, am nächsten Tag wieder nach Hause zu fahren.
An Schlaf war in dieser Nacht natürlich nicht zu denken. – Schon ganz bald sollte ich mein Kind und die andere Mutter sehen! Wieder und wieder malte ich mir die Szene der Begegnung aus: Ich sehe mein Baby, breche in Tränen aus, reiße es der anderen Mutter vom Arm und sage: »Ich gebe dir mein Kind nicht mehr zurück!« Ich hatte eine unbändige Angst vor meiner eigenen, unberechenbaren Reaktion als Mutter. Ich war mir sicher, ich würde mein Kind nie mehr loslassen können.
KAPITEL 18
P rof. Dr. Christian von Rhein, Leiter der kinderpsychiatrischen Abteilung der Uniklinik Homburg und, wie ich gehört hatte, die Koryphäe unter den saarländischen Kinder- und Jugendpsychiatern, bot sich an, als Mediator für die Zusammenführung von uns und der anderen Familie zur Verfügung zu stehen. Ihm ging es hauptsächlich darum, die minderjährige Mutter emotional aufzufangen und sie so gut wie möglich auf den Tausch vorzubereiten.
Die Uniklinik Homburg ist wunderschön an einem Wald gelegen. Ein ruhiger Ort mit hellen und freundlichen Räumen. Dennoch verband ich nichts Gutes mit der Klinik. Ann-Kathrin lag hier und bekam ihre Chemotherapie – einen Krankenbesuch hatten wir fest eingeplant. Und wir kamen ja auch nicht zum Vergnügen hierher.
Prof. von Rhein, ein großer, schlanker, gutaussehender Mann mittleren Alters, sah in seinem dunkelgrauen Anzug und seiner Krawatte fast schon stylisch aus – ich hatte mir ihn konservativer vorgestellt. Er begrüßte uns ausgesprochen freundlich.
Zunächst sprach er mit Ralf und mir allein. Mit der anderen Mutter hatte er bereits ein Gespräch geführt, sie wartete in einem Nebenraum. Prof. von Rhein zeigte sich sehr betroffen über unser Schicksal. Er redete bedächtig und leise. »Erst werden Sie die andere Mutter und deren Mutter kennenlernen, und dann Ihr Kind.«
Ich wunderte mich über mich selbst. Ich blieb erstaunlich ruhig. Das Einzige, was ich mich fragte, war, wie wohl mein Kind aussehen würde. Mein Horrorszenario vom Vortag war seltsamerweise wie weggeblasen.
Zuerst fragte Prof. von Rhein uns, wie es uns ginge und wie wir die letzten Tage verbracht hätten. Ich sagte meinen Standardsatz: »Es geht uns den Umständen entsprechend gut.«
Ziemlich schnell kam er dann zu der entscheidenden Frage: »Wie sieht Ihre Tendenz bezüglich eines Tausches aus?«
Ich sah Ralf kurz an, dann erklärte ich bestimmt: »Wir wollen auf jeden Fall tauschen.«
»Gut, dass Sie so gefestigt sind und wissen, was Sie wollen. Sie sind ja wirklich sehr stark.«
Sicherlich war es das Erste, was ihm im Vergleich zu der Teenagermutter auffiel. Wie sollte ein fünfzehnjähriges Mädchen auch schon wissen, was es will? Ich wollte in der Pubertät alle paar Minuten etwas anderes. Allerdings war das Letzte, was ich zu jener Zeit gewollt hatte, ein Kind. Wahrscheinlich war ihre Schwangerschaft ein Unfall gewesen. Aber hätte sie dann nicht vermutlich abgetrieben …?
»Wollen Sie die andere Mutter jetzt mal kennenlernen?« Prof. von Rhein riss mich aus meinen Gedanken. Was für eine Frage, immerhin waren wir doch deswegen hier!
Der Professor erklärte uns noch, dass unsere Babys in der Zeit bei den Sekretärinnen bleiben würden. Dort seien sie gut aufgehoben, und wenn etwas sei, würden wir sofort gerufen.
Und dann ging endlich die Tür auf, und – Vanessa kam herein.
Gott sei Dank, nicht die Teeniemutter! , schoss es mir unsagbar erleichtert durch den Kopf.
Und dann stand ich auf, ging auf sie zu, und wir fielen uns in die Arme und weinten. »Wir kriegen das hin, wir schaffen das! Wir können ja Patchwork machen«, schluchzte ich ihr ins
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