Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
ganze Fett in der 3er-Milch die Babys nur dick machen würde. Die 1er-Milch würde genauso sättigen. Dann gestand sie mir noch, dass sie Angst habe, dass die Klinik sie wegen der Verwechslung belangen könne und dass sie eventuell mit beruflichen Konsequenzen zu rechnen hätte. Ich versprach ihr, dass ich mich auf jeden Fall für sie einsetzen würde.
Nach unserem Gespräch fuhr ich gleich in einen Drogeriemarkt, denn ich merkte, dass ich schon wesentlich weniger Muttermilch hatte als am Vortag. Das wunderte mich, denn bei Yara hatte das Abstillen sehr, sehr lange gedauert. Mein Körper setzte den Abnabelungsprozess anscheinend schneller in die Wege, als ich es gedacht hätte.
Trotz aller meiner Befürchtungen trank Leni doch tatsächlich problemlos aus dem Fläschchen, sie verzog noch nicht einmal das Gesicht. Es war ein Segen, dass sie munter saugte und ihr die Kunstmilch schmeckte, denn schon drei Tage später kam kein Tropfen Milch mehr aus meiner Brust.
KAPITEL 20
U nser »Staranwalt« Hans Rodenbusch lud uns zum Kennenlernen zu sich nach Hause ein. »Das hat schon mal was zu bedeuten«, sagten wir uns, hatten Ralf und ich doch ein Treffen in seiner Kanzlei erwartet.
Sein großes Haus mit den weitläufigen Räumen, die massiven, edlen Möbel und Teppiche wirkten sehr beeindruckend auf mich. Ich war heilfroh, dass wir ohne Kinder gekommen waren, sonst wäre dieser Besuch zu einem einzigen Spießrutenlauf geworden. Ich hatte auch so schon Angst, dass ich die Couch, auf der wir Platz nehmen durften, oder die feinen Dekokissen bekleckern könnte.
Hans Rodenbusch empfing uns mit den mitfühlenden Worten, dass er selbst gerade Opa geworden sei und die ganze Sache unvorstellbar fände. Er blieb ganz ruhig und souverän, schaute uns aber kaum in die Augen und schüttelte ständig den Kopf.
»Wie geht es Ihnen denn jetzt damit? Wie kommen Sie denn mit der Sache klar?«
Während ich antwortete, versuchte ich mich gleichzeitig darauf zu konzentrieren, keinen Wasserfleck auf den Tisch oder die Untersetzer zu machen. Noch nicht einmal ein Fingerabdruck oder ein Staubkörnchen war auf dem Glastisch zu finden. Diese Haushaltshilfe hätte ich gerne , dachte ich.
Schließlich kam er zur Sache. »Ich habe etwas recherchiert, aber so gut wie nichts zu dieser Thematik gefunden. Es gibt natürlich viel über Adoptionen und Pflegevormundschaften. Doch so etwas hier – nein.« Er schüttelte wieder ganz verzagt den Kopf.
Dann klärte er uns über die Möglichkeiten, die wir hatten, auf. »Man kann die Kinder tauschen, man kann aber auch nicht tauschen. Wobei das alles nicht so einfach ist, wenn man es nicht tut. Einfacher ist es zu tauschen. Wenn man sich entscheidet, die Kinder nicht zu tauschen, müsste man sich vertraglich absichern. Denn rein theoretisch könnte eine der Parteien auch nach Jahren plötzlich sagen: ’Ich will nun doch tauschen’, da man jederzeit das Recht dazu hat. Außerdem wäre es natürlich von der emotionalen Seite her sehr schwierig.«
Es gab weder ein auf diesen Fall passendes Gesetz noch einen Präzedenzfall für unser Schicksal. Vielleicht würde ja wegen uns bald ein Gesetz dafür verfasst werden , überlegte ich mir und musste schmunzeln.
»Jetzt stehe ich kurz vor meinem siebzigsten Geburtstag und habe solch einen schwierigen Fall«, seufzte er – natürlich nicht, ohne den Kopf zu schütteln.
Ich mochte seine großväterliche Art und fühlte mich schon jetzt in guten Händen. Er informierte uns noch, dass wir von der Klinik auf jeden Fall Schadenersatz bekommen würden. Um wie viel Geld es dabei gehen würde, konnte er uns jedoch noch nicht sagen. Er versicherte uns allerdings, dass auf jeden Fall keine Kosten auf uns zukommen würden. Alles – jede Autofahrt und jede Briefmarke – könnten wir der Klinik in Rechnung stellen. Und in Sachen Presse würde er uns auch unterstützen. Wir hatten schließlich keine Ahnung, wie wir damit umgehen sollten. Über wen laufen die Anfragen? Was dürfen wir sagen? Was sagen wir auf keinen Fall? Sagen wir überhaupt etwas? – Alles Dinge, die es zu klären galt.
Nach zwei Stunden beendeten wir unser Gespräch.
Auf der Rückfahrt meinte Ralf: »Wenn uns jemand da gut durchboxt und das Beste für uns rausholt, dann er!«
»Oh ja, der wird das vertauschte Kind schon schaukeln!«, sagte ich, ebenfalls um positive Stimmung bemüht. Aber ich war mir auch sicher, dass wir einen schweren Weg vor uns hatten. Und ich wollte diese Herausforderung
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