Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
die wüssten, was ich alles mit ihr mache …«
Auf der anderen Seite fand ich es auch nicht besonders toll, dass Vanessa und ihre Mutter mit Leni direkt einkaufen gingen, anstatt sich mit ihr zu beschäftigen.
Ich versuchte, mich wieder etwas lockerer zu machen und mich nicht nur auf Linas Haut zu fixieren. Ich betrachtete sie überall und stellte fest, dass sie ganz dünn war. Eigentlich bestand sie nur aus Haut, Knochen und Muskeln. Ihre Beine waren ganz lang, ihre Oberschenkel genauso dünn wie ihre Unterschenkel. Sie sah wie ein Frosch aus. Zudem zog sie ihre Beine auch noch wie ein Frosch an. Ihre Arme waren auch extrem dünn, und einen Popo hatte sie erst recht nicht. Sie zappelte herum und versuchte, das Mobile über ihr zu greifen. Im Grunde genommen sah sie richtig lustig aus, wobei ich mich nicht wirklich schlapp lachen konnte, weil mir mein Humor gerade etwas abhandengekommen war.
Bevor Ralf Lina wieder zu Vanessa fuhr, zog ich ihr die gesäuberten Sachen an, mit denen sie gekommen war. Endlich konnte ich sie zum Abschied knuddeln und küssen, ohne dass ich beobachtet wurde oder ein schlechtes Gewissen haben musste.
Als Leni zurückkam, freute sie sich, wieder bei uns zu sein – da, wo sie von ihrem Gefühl her hingehörte. Ralf erzählte mir, dass Lina bei der Übergabe genauso reagiert hatte. Sie war froh, wieder von Vanessa in die Arme geschlossen zu werden, auch, wenn sie sich bei uns wohlgefühlt hatte.
Ich hingegen spürte, dass dieser kurze Tausch mal wieder etwas bei mir bewirkt hatte. Ich fühlte mich noch ein kleines Stückchen mehr von Leni entfernt. Je mehr ich Lina kennen- und lieben lernte, umso mehr ließ ich Leni los. Es war, als ob das eine Gefühl das andere brauchte.
Am späten Abend telefonierten Vanessa und ich, um uns über den Tag auszutauschen. »Wie war es, wie hat es geklappt bei euch?«, fragte ich sie.
Wie immer antwortete Vanessa höflich, aber knapp. »Alles super.«
»Tauschen wir nun täglich?« Im Gegensatz zu ihr konnte ich es kaum erwarten, sofort wieder stundenweise zu tauschen. Leider ging es nicht schon am nächsten Tag, da wir beide so viele Termine hatten. Vanessa musste jeden Tag zur Schule, dann passte ihre Mutter auf Lina auf, und bei mir standen auch immer tausend Sachen im Kalender. Daher verabredeten wir uns erst für Ende der Woche.
Ich schloss den Tag mit einem guten Gefühl ab. »Wenn wir jetzt schon mal so weit sind, dass wir stundenweise tauschen, dann kann es ja nicht mehr so lange dauern, bis wir Lina für immer bei uns haben.«
Aber unsere Verabredung kam leider nicht zustande. Stattdessen bekamen wir eine SMS von Vanessa, dass sie eine Magen-Darm-Grippe habe. Meine Enttäuschung kann sich niemand vorstellen. Außerdem hatte ich das ungute Gefühl, dass die Krankheit nur vorgeschoben war. In meinen Augen war das ein Rückschritt.
»Wer weiß, was noch alles dazwischenkommt. Es zieht sich schon so lange hin«, jammerte ich, als ich mit Ralf darüber sprach.
»Es ist jetzt nicht zu ändern, nimm es so hin«, sagte er.
Daraufhin versuchte ich, mich zurückzunehmen und wieder rationaler zu denken. Ich wollte ja, dass Vanessa und die anderen Beteiligten sich auch wohlfühlten, es ging ja nicht nur um mich. Obwohl es mein größter Wunsch war, so schnell wie möglich zu tauschen, hätte ich das niemals eingefordert. Sicherlich auch aus der Angst heraus, dass Vanessa das nervlich nicht packen könnte und dann gar nichts mehr ginge. Ich beschloss, fortan einen Tag nach dem anderen anzugehen und nicht zu sehr an die Zukunft zu denken.
KAPITEL 27
A ls ein nächster Kindertausch endlich zustande kam, beschlossen wir, die Babys den ganzen Tag zu behalten. Es sei denn, es würde bei einem von uns beiden nicht gut laufen. Ricarda bot mir an, für einige Stunden Yara zu nehmen. Als ich Yara bei ihr abgab, erzählte Ricarda, dass sie plane, mit den Kindern zu Ikea zu fahren.
Ich zuckte zusammen. »Um Gottes willen, bloß nicht zu Ikea! Wenn da was passiert, wenn du sie verlierst …!«
Ricarda schaute mich verdutzt an. So kannte sie mich nicht. Und ich mich auch nicht. Schlagartig wurde mir klar, dass ich nicht nur Angst hatte, dass den Babys etwas zustoßen könnte, sondern dass ich anscheinend eine generelle Angst um die Kinder entwickelt hatte. Ich fragte mich, ob das schon die ersten Anzeichen einer Traumatisierung waren oder ob meine Nerven einfach nur blank lagen.
»Bitte nicht«, bettelte ich geradezu. Daraufhin versprach mir Ricarda hoch
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