Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
erlebt hatte.
»Jawohl, das ist jetzt unser Kind!«, sagte er strahlend.
Auch die Nachbarin meinte, dass dieses Kind definitiv in unsere Familie passe, im Gegensatz zu dem anderen. Meine Mutter schoss unzählige Fotos, und alle sagten immerzu, wie goldig und süß Lina sei. Niemand fragte nach Leni. Und auch ich dachte seltsamerweise kein einziges Mal an sie.
Lina fing wieder an zu quengeln. »Es reicht jetzt«, sagte ich. »Ich muss noch Yara vom Kindergarten abholen, und Ralf kommt extra nach Hause.«
Auf dem Nachhauseweg fiel mir dann aber noch ein, dass ich nicht am Haus meiner Schwiegereltern vorbeifahren konnte, ohne auch ihnen ihr richtiges Enkelkind zu zeigen. Das hätte Ärger gegeben. Also musste Lina auch da noch durch.
Theodora reagierte allerdings nicht so überschwänglich wie meine Familie. Im ersten Moment dachte ich, dass es vielleicht daran liegen könnte, dass sie in ihrer Enkelin Ralf nicht wiedererkannte. Doch dann wurde mir klar, dass es daran lag, dass sie Leni nicht loslassen konnte. Unsere Situation belastete sie extrem.
Da ich Yara vorher angekündigt hatte, dass Lina ein bisschen zu uns kommen und dafür Leni zu Vanessa gehen würde, nahm sie Linas Anwesenheit ohne zu hinterfragen hin. Wir spielten mit Lina, bis Ralf kam.
Nun war es an der Zeit, unsere Große endlich einzuweihen. Wir setzten uns zusammen mit ihr aufs Sofa.
»Wir müssen dir noch etwas erklären, Yara. Damals im Krankenhaus lagen die Lina und die Leni immer nebeneinander. Und zwar in zwei unterschiedlichen Bettchen. Und dann sind die beiden nachts mal gebadet worden und haben dabei ihr Namensbändchen verloren. Da konnte man nicht mehr wissen, wer welches Kind ist.«
An ihren Blicken merkte ich schon, dass die ganze Geschichte viel zu kompliziert für sie war. Dennoch gab ich mir größte Mühe, alles so einfach wie möglich zu formulieren und fuhr fort:
»Und dann hat eine Schwester so einen dummen Fehler gemacht und hat Linas Bändchen der Leni angezogen, und so sind die beiden vertauscht worden.«
Ich machte eine kurze Pause. Jetzt musste ich der ganzen Angelegenheit nur noch ihre Tragik nehmen. »Aber das ist auch gar nicht schlimm, weil wir sie ja jetzt wiederhaben. Leni ist zwar auch deine Schwester – das war sie ja die ganze Zeit –, aber nicht deine richtige. Deine richtige Schwester ist eigentlich die Lina.«
Auch Ralf schaute, als ob er die Geschichte nicht kapiert hätte – warum auch immer.
»Aha, verstehe ich. Aber die Lina gefällt mir auch ganz gut«, sagte Yara ganz abgeklärt.
Dann ging sie zu Lina und liebkoste sie. »Na, du falsche Schwester?«, sagte sie zu ihrer Schwester.
Ralf und ich schauten uns erleichtert an und lachten.
Nachdem ich Lina gefüttert hatte, spuckte sie etwas. Ich war richtig froh, dass sie ganz verkleckert war, denn so hatte ich quasi eine Legitimation, ihre Wäsche zu wechseln und ihr Sachen von Leni anzuziehen. Wie auch schon bei den letzten Malen, mochte ich ihre Kleider überhaupt nicht. Ich zog sie aus, auch um zunächst einmal zu sehen, wie sie nackt ausschaute.
Ich bekam einen Schock, als ich ihre Haut sah. O Gott, hat die eine schlechte Haut! So schrecklich dünn und durchscheinend , dachte ich mir. Aber noch viel schlimmer waren all ihre Ekzeme. Raue, rote, schuppende Stellen. Ich schob die Ekzeme auf ihre Ernährung – auf die Kuhmilch und den ganzen Zucker. Natürlich war mir klar, dass ihre schlechte Haut hauptsächlich genetisch bedingt sein musste – die hatte sie von mir als Allergikerin wohl geerbt. Aber ausgebrochen waren ihre Ekzeme sicherlich durch die falsche Ernährung und weil sie nicht gestillt worden war. Mal machte ich Vanessa dafür verantwortlich, dann war ich wieder milder gestimmt, schließlich hatte sie nicht meine Erfahrung … Aber irgendwo musste ich mit meiner Wut ja hin, und als ich so weiter nachdachte, kam ich auf den Kinderarzt. Eigentlich wäre es doch sein Job gewesen, auf Linas Gesundheit zu achten, oder zumindest hätte er Vanessa zu einer Ernährungsberatung schicken können. Am Ende waren die Lebensmittelkonzerne die Bösen für mich. Sie waren es schließlich, die die Supermarktregale mit gesüßten Babytees, Kakao und den ganzen ungesunden Sachen füllten, nur um Geld zu verdienen. Nichts ist einfacher, als da zuzugreifen! , dachte ich empört.
Trotzig nahm ich unser Bio-Olivenöl aus der Küche und cremte Lina damit am ganzen Körper ein. Obwohl sie mein eigenes Kind war, hatte ich ein schlechtes Gewissen. »Wenn
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