Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
gebracht hatte.
KAPITEL 26
E s war Mitte Januar, als ich zum ersten Mal für drei Stunden mit meinem Kind allein sein konnte. Vanessa und Lina waren nicht mehr in der Jugendhilfeeinrichtung untergebracht, sondern wohnten wieder zu Hause. Dort brachte ich Leni hin und holte Lina ab.
Als ich mit Leni die Wohnung von Vanessas Mutter und ihren beiden Töchtern betrat, fielen mir als Erstes die dunklen Eichenmöbel auf. Unangenehm war die stickige Luft in den Räumen, aber alles in allem fand ich die Wohnung für das Leben mit einem Baby in Ordnung, was mich erleichterte.
Lina war schon angezogen. Sie war immer noch verschnupft. Es war ein besonders kalter Tag, und ich wunderte mich, dass sie nur ein eher dünnes Jäckchen und keine Mütze trug. Die Tasche mit den Windeln und dem Fläschchen stand schon gepackt neben ihr.
Ich wollte Leni gerade noch die Mütze und das Winterjäckchen ausziehen, als Vanessa sagte: »Lass Leni ruhig angezogen, wir gehen gleich zusammen mit ihr einkaufen.«
Dann verabschiedeten wir uns schnell, ich nahm Lina und die Babytasche und war auch schon wieder draußen.
Ein kleiner Stein fiel mir vom Herzen. Irgendwie war ich froh, wieder auf der Straße zu sein, aber vor allem war ich froh, mein Kind endlich für mich zu haben.
Ich brachte Lina schnell zum Auto, in dem es noch von der Hinfahrt einigermaßen warm war. Dann überlegte ich, zu wem ich zuerst fahren sollte. Denn ich wollte mein Kind jetzt unbedingt meiner Familie und meinen Freunden vorstellen. Da es Mathias’ Geburtstag war, entschied ich mich, zuerst bei ihm vorbeizuschauen. Sicherlich würde er sich freuen, sein eigentliches Patenkind wiederzusehen.
»Na, mein Schatz, freust du dich auch ein bisschen auf deine Familie? …« Ich redete die ganze Fahrt über mit Lina und versprach ihr, dass wir gleich da seien. Erst als wir angekommen waren, bemerkte ich, dass sie schon längst eingeschlafen war.
Als Ricarda die Tür öffnete, rief sie sofort: »Was für eine Überraschung! Komm rein, meine Mutter und Mathias’ Mutter sind auch da, die werden sich riesig freuen, dass sie das miterleben dürfen.« Augenblicklich standen uns allen vor Rührung die Freudentränen in den Augen.
Ich stellte Lina samt Maxi-Cosi auf den Esstisch.
Alle flüsterten auf einmal. »Lass sie schlafen, lass sie schlafen.«
»Nix da«, entgegnete ich, »wenn wir schon mal hier sind, dann machen wir sie auch wach«, und nahm die Kleine behutsam aus dem Maxi-Cosi.
Lina öffnete langsam die Augen.
»Hallo Lina, ich bin dein Patenonkel Mathias«, begrüßte er sie. Dann nahm er Lina vorsichtig auf den Arm. Die Kleine wurde von Arm zu Arm gereicht und bestaunt wie eine Außerirdische, bis sie auf Ricardas Arm anfing zu quengeln.
Noch bevor ich meine Arme nach ihr ausstrecken konnte, suchte Lina plötzlich meinen Blick und streckte die Arme nach mir aus.
»Ja, du willst zurück zu deiner Mama. Geh du nur zu deiner Mama«, bestärkte Ricardas Mutter Marita sie.
Voller Rührung nahm ich sie entgegen, und sofort beruhigte sie sich. Jetzt war mir das Herz vollends aufgegangen. Ich hatte meine Tochter nur ein paar Mal gesehen, und schon war ich ihre Bezugsperson. Konnte es wirklich sein, dass sie spürte, dass ich ihre Mutter war?
»Wollt ihr tauschen? Wisst ihr, wie ihr es machen könnt?«, fragte mich Marita.
»Ich will auf jeden Fall tauschen«, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.
»Ja, das ist das einzig Richtige. Man will doch sein Kind haben. Das ist so wichtig. Schau, dass du das durchziehst, Jeannine«, sagte sie.
Alle bestärkten mich darin, den Tausch möglichst bald über die Bühne zu bringen. Ich sog den Zuspruch regelrecht in mir auf, dann verabschiedete ich mich aber auch schon wieder. Ich wollte Lina nicht überfordern und meine Familie nicht länger warten lassen.
Draußen rief ich meine Mutter an und kündigte ihr an, dass ich gleich vorbeikommen würde – es war ihr ausdrücklicher Wunsch gewesen. Ihre Oma kennenzulernen, würde für die Kleine schon nicht so stressig sein, sagte ich mir.
Ich konnte allerdings nicht ahnen, dass meine Mutter noch ihre Freundin und ihre Nachbarin bestellt hatte. Alle begutachteten Lina neugierig. Mein Vater, der mittlerweile wieder zu Hause war, merkte gar nicht, dass ein »fremdes« Kind im Maxi-Cosi lag.
»Aber das ist doch endlich unser richtiges Kind!«, klärte meine Mutter ihn lachend auf. Daraufhin schaute er Lina nochmals genauer an und war dann so stolz, wie ich ihn noch nie
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