Überraschung kommt selten allein
haben uns so plötzlich getrennt«, sagte Alberta, »weil wir nicht all diese Stadien durchmachen wollten, nur um uns am Ende zu hassen. Wir haben gemerkt, dass etwas anfängt schiefzulaufen, und haben uns getrennt, bevor es schlimmer werden konnte.«
»Ja, mein liebes Mädchen, aber wenn ich deiner Argumentation zu ihrem logischen Schluss folge, müsste ich den Garten betonieren, sobald ich ein Unkraut entdecke. Ich könnte nicht mehr in meine Malklasse gehen, weil ich weiß, mein Freund ist besser als ich, und ich müsste das Autofahren aufgeben, weil ich letzte Woche rückwärts ins Gartentor gerauscht bin. Sollte man das Risiko, dass es schlimmer werden könnte, nicht vielleicht in Kauf nehmen und sich umso mehr anstrengen, dass es besser wird?«
»Ich glaube«, entgegnete Alberta, »wir waren uns beide ziemlich sicher, dass es nicht besser werden wird.«
»Glaubst du das immer noch ?«
»Wenn ich nicht mit dir rede, tue ich das!«, sagte Alberta. Sie schob ihren Stuhl zurück, erhob sich, ging zu Lionel und küsste ihn auf die Wange. »Ich muss los. Ich nehme den Zug um Viertel nach vier und muss noch ein paar Sachen zusammensuchen.«
»Komm bald wieder«, sagte Lionel. »Und denk darüber nach, was ich dir gesagt habe!«
»Ich denke immer über das nach, was du sagst. Grüß Evie ganz lieb von mir.« Alberta küsste ihn noch einmal und ging schnell zurück in die andere Seite des Hauses.
Der arme Arthur Quiggleton tat ihr beinahe leid. Vier Minuten länger mit Lionel, und sie hätte Tony angerufen und ihn angefleht, sie zurückzunehmen. Sie schloss die Tür hinter sich und ließ den Blick durch die Diele schweifen. Einmal hatte sie den sechsjährigen Jacob dabei erwischt, wie er auf einem Stuhl stand und kritisch sein Spiegelbild betrachtet hatte. »Was machst du da?«, hatte sie gefragt. Er hatte sich umgedreht und geantwortet: »Ich denke darüber nach, was für ein seltsamer Junge ich bin.«
Sie ging ins Wohnzimmer und blickte betroffen auf all die vertrauten Dinge auf dem Kaminsims. Da war die wackelige, kleine Schale, die Hannah als Zehnjährige im Kunstunterricht gefertigt hatte. Ein Stück weiter stand der schmale, ovale Rahmen mit einem Foto von Jacob, als er drei war. Er saß am Strand, Eimer und Schaufel zwischen den Beinen, und lachte. Das war in dem Jahr gewesen, als sie in Frankreich gezeltet hatten und Tony Hannah das Schwimmen beigebracht hatte. Das dritte Objekt auf dem Sims war ein kleiner Silberbecher. Alberta hob ihn hoch und lächelte, als sie die Inschrift las: ALBERTA GRANGER – TOP MUTTER . Tony hatte ihn ihr, eine Woche nachdem Hannah zur Uni gegangen war, geschenkt. Alberta schluckte schwer und tadelte sich in Gedanken. Sie war nicht hergekommen, um in sentimentalen Erinnerungen zu schwelgen. Sie musste weitermachen.
Erst als sie im Zug zurück nach London saß, bemerkte sie, dass außer ihrem Mantel noch etwas in der Plastiktüte war. Sie zog ein quadratisches Päckchen heraus, auf dem ein rosafarbener Umschlag mit ihrem Namen lag.
Sie riss den Umschlag auf und zog eine hübsche Karte heraus, auf der in Form von kleinen Rosen das Wort SORRY prangte. Darin stand eine Nachricht, die sie erst ein Mal und dann sofort ein zweites Mal las.
Liebe Bertie,
ich wollte es dir am Telefon sagen, aber ich hab mich nicht getraut. Ich habe neulich mit Marma telefoniert, und wir haben über die Cartwrights geredet. Sie hat mir erzählt, dass sie herausgefunden hat, dass es Joan war, die ihr das Interview geschickt hat. Offensichtlich steckte die Quittung für ihr Abo noch in der Zeitung. Es tut mir leid, dass ich dachte, du hättest sie geschickt. Alles tut mir leid. Ich wünschte, es wäre anders gelaufen. Du bist doch Weihnachten wieder hier, oder?
Tony
Alberta schaute aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden Dörfer Bathampton und Bathford. Dieser Zettel war so typisch für Tony. Die Frage war so typisch Tony. Was zum Teufel sollte das heißen? Bedeutete es, »Ich hoffe, DU KOMMST bis dahin wieder zu mir zurück?« Oder bedeutete es: »Hoffentlich bist du WEIHNACHTEN da«? Höchstwahrscheinlich wusste Tony es selber nicht. Und was meinte er mit »Ich wünschte, es wäre anders gelaufen«? Wünschte er, sie wären immer noch zusammen, oder wünschte er, er hätte sie nicht zu Unrecht beschuldigt?
Eigentlich hatte sie nie gewusst, was Tony meinte, wenn er über sie beide sprach. Sie erinnerte sich daran, wie sie einmal mit ihm ausgegangen war, als sie noch bei Eds Eltern wohnte. Sie
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