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Überraschung kommt selten allein

Überraschung kommt selten allein

Titel: Überraschung kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Holt
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doppelzüngige, heimtückische Schlange war. Sie konnte nicht glauben, dass sie so dumm gewesen war. Der Mann war Journalist, und sie war die Enkelin von Lord Trussler. Natürlich fand Rando sie interessant. Natürlich würde er sie ermuntern, über ihre Familie zu sprechen. Wie konnte sie nur so naiv sein. Mit jeder Zeile, die sie las, spürte sie, wie die Panikwellen höher stiegen und drohten, sie zu verschlingen. Was hatte sie bloß getan ? Was konnte sie jetzt tun? Sie stand auf und wanderte, abwechselnd auf den Fingernägeln kauend und einen Schluck Wein trinkend, in der Wohnung herum. Sie wünschte, Kitty wäre da, sie wünschte, Harrison wäre noch ihr Freund, sie wünschte, sie hätte jemanden, dem sie sich anvertrauen konnte.
    Sie schenkte sich noch ein Glas Wein ein und zwang sich, den Artikel noch einmal zu lesen.
    Vor Jahren habe ich etwas über den irischen Politiker Charles Stewart gelesen und war von der Tragödie dieses Mannes fasziniert: 1890 wurde seine Karriere durch das Bekanntwerden seiner Affäre mit einer verheirateten Frau beendet. Ein gefundenes Fressen für die Zeitungen. Er starb zwei Jahre, nachdem der Skandal aufgedeckt worden war, an einem Herzinfarkt in den Armen der Frau, die er liebte. Ich erinnere mich daran, dass er mir leidtat.
    Ich liebe den Klatsch wie jeder andere auch. Lesen wir nicht alle gern etwas über die Skandale der Großen und Guten? Verschlingen wir nicht jedes schlüpfrige Detail? Lachen wir nicht über jede peinliche Enthüllung? Sobald ein Mann ein öffentliches Amt bekleidet, verspielt er dann nicht das Recht auf unser Mitgefühl, wenn er mit den sprichwörtlichen heruntergelassenen Hosen erwischt wird?
    Als Kenner des politischen Klatsches muss ich sagen, die Trussler-Affäre war kaum zu schlagen. Da haben wir Lord Trussler, den charismatischen Grande der Torys, anerkannte Autorität in allen europäischen Fragen, Experte in Funk und Fernsehen. Er starb in einem schäbigen Bordell in Streatham, seit vielen Jahren Anhänger sadomasochistischer Praktiken, wie wir sie aus schlechten Pornofilmen kennen. So etwas kann man nicht erfinden! Wie haben wir gelacht!
    Und dann lernte ich seine Enkelin kennen. Wir wurden Freunde, und auf einmal ist die Geschichte überhaupt nicht mehr lustig. Hannah ist so ein nachdenkliches, ernsthaftes …
    Es war zu schrecklich! Sie ertrug es nicht. Sie wollte nicht lesen, was er über sie geschrieben hatte. Ihr wurde schlecht davon. Sie überflog die nächsten Absätze, dann schluckte sie schwer.
    Die Öffentlichkeit fühlt sich berechtigt, über Menschen zu lachen, die sie beneidet. Wir lesen die Geschichte, wir schwatzen darüber, wir vergessen sie. Lord Trusslers Tochter konnte das nicht. Ihr Vater war ihr Held, und als er von seinem Podest stürzte, zerbrach auch sie. Von ihrer Mutter entfremdet und von ihrem langjährigen Partner getrennt, lebt sie allein, unfähig …
    Hannah stieß ein langes, tiefes Stöhnen aus. Warum, zum Teufel, hatte Emily ihr Rando vorgestellt? Wusste sie denn nicht, dass der Mann ein unmoralischer, opportunistischer, mieser Idiot war? War es möglich, dass Emily mit ihm unter einer Decke steckte? Voller selbstgerechter Wut und brennender Verzweiflung marschierte Hannah ins Wohnzimmer, griff nach ihrer Tasche, zog das Handy heraus und suchte Emilys Nummer.
    Innerlich kochend wartete sie darauf, dass Emily dranging. Sie vermutete, dass Emily in irgendeiner Bar war, und tatsächlich hörte sie Stimmen im Hintergrund, als Emily sich endlich meldete.
    »Hallo, Hannah«, sagte Emily. »Wie geht’s?«
    Hannah holte tief Luft. »Nicht gerade gut, Emily, und ich werde dir auch erzählen, warum. Heute war ein merkwürdiger Tag im Büro. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass die Leute über mich reden. Und als ich heute Abend nach Hause ging, beschloss ich, dass ich mir das alles nur einbilde, und weißt du, was ich dann gesehen habe, Emily? Dreimal darfst du raten.«
    »Hannah, hör mir zu, ich weiß, was du sagen willst …«
    »Ich habe auf dem Heimweg eine Zeitung gekauft. Ich habe sie gekauft, weil auf der Titelseite ein Verweis auf Seite zehn zu einem Artikel über meine Familie stand. Also habe ich sie gekauft, und jetzt habe ich den Artikel auf Seite zehn gelesen. Weißt du, wer ihn geschrieben hat, Emily? Dein Freund Rando hat ihn geschrieben. Er spricht über seine gute Freundin Hannah Granger und beschreibt bis ins kleinste Detail, wie der Skandal um Lord Trusslers Tod die Familie getroffen hat …

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