Überraschung kommt selten allein
Samstagabend war ich mit Christopher und Helen essen, und gestern waren Hannah und Kitty zum Lunch da.«
»Wie geht es Hannah? Glaubst du, sie vermisst diesen widerwärtigen Kerl noch immer?«
»Schwer zu sagen. Du kennst Hannah. Ich hoffe, ich sehe sie jetzt öfter.«
»Bestimmt wirst du das. Und wann fängt dein neuer Job an?«
»Ich werde Donnerstag und Freitag schon mal hingehen, aber richtig fängt er erst nächste Woche an.«
Marma strahlte. »Wirklich clever, wie schnell du eine Arbeit gefunden hast, und dann auch noch übers Internet! Meinst du, Jacob kann ein paar Stunden erübrigen, wenn er aus Frankreich zurück ist? Ich habe das Gefühl, es wird höchste Zeit, dass ich mich mit dem Internet vertraut mache. Ich habe ein Buch für Anfänger, aber da verstehe ich nicht mal den ersten Satz … Alberta, du hast ja kaum etwas auf dem Teller, bitte nimm noch.«
»Danke, mir geht es gut, ehrlich. Ich nehme gleich noch ein Stück von dem köstlichen Brot.« Alberta zögerte. »Es tut mir leid, dass ich so lange nicht hier war. Die letzten Wochen waren chaotisch.«
»Das verstehe ich«, sagte Marma munter. »Ich freue mich einfach, dass du jetzt da bist.«
»Und«, fragte Alberta, »wie geht es dir ?«
»Ich habe ein neues Projekt! Mal sehen, ob du es errätst! Buenas días! Cómo estás? «
»Du lernst Spanisch?«
» Excelente! Es muy difícil! Ich habe mir ein Lexikon und ein Buch mit Übungen und ein CD -Set gekauft. Der Sprecher hat eine wunderbare Stimme, und man weiß einfach, dass er nie ungeduldig wird, egal, wie oft man die Zeiten verwechselt. Er hat zwei Schüler, einen Jungen und ein Mädchen, und er bringt ihnen Redewendungen und Sätze bei und macht immer eine Pause, damit ich sie zuerst sagen kann. Das Mädchen ist ziemlich gut und der arme Junge eher hoffnungslos, und ich mag sie alle drei sehr gern. Ich kann schon bis zwanzig zählen. Und ich kann sagen, wie man rechts abbiegen soll, allerdings vergesse ich immer, wie man links abbiegt. Espero aprender mucho! «
»Ich habe keine Ahnung, was du gesagt hast«, gab Alberta zu, »aber es klingt gut. Du hättest nach Madrid und nicht nach Kreta fahren sollen.«
»Aber Kreta war herrlich! Die Insel ist muy guapa ! Hilda und ich waren in Knossos. Das ist da, wo Theseus mit dem Minotauros kämpfen sollte, und es sieht so aus, als hätte genau dort ein Minotauros gelebt, aber natürlich hat er eigentlich gar nicht existiert, was ein wenig enttäuschend war. Es waren wunderbare Ferien, und Hilda war süß, obwohl sie dieses furchtbar traurige Buch über das Leben von Charlotte Brontë gelesen hat und darauf bestand, mir all die traurigen Ereignisse vorzulesen – und es gab viele traurige Ereignisse in Charlotte Brontës Leben. All ihre Schwestern sind gestorben, ihr Bruder ist gestorben, dann starb ihr Vater, und der Lehrer, den sie geliebt hat, hat sie nicht geliebt, und dann ist sie natürlich auch gestorben. Hilda vertritt diese Theorie, dass wir uns jetzt, wo wir so alt sind, auf den Tod vorbereiten sollten, indem wir Bücher über den Tod anderer Menschen lesen, aber ich finde, das ist eine schreckliche Zeitverschwendung. Ich habe zu Hilda gesagt: ›Es könnte doch sein, dass du im Schlaf stirbst, und wie bereitest du dich darauf vor?‹ Aber Hilda ist überzeugt, dass sie nicht im Schlaf stirbt. Sie meint, das ist alles eine Frage der Selbstdisziplin.«
»Ich muss sagen«, sinnierte Alberta, »Tante Hilda wäre nicht gerade meine erste Wahl als Ferienbegleitung.«
»Charlotte Brontë war mir auch ein bisschen zu viel«, räumte Marma ein, »aber sonst sind wir sehr gut miteinander ausgekommen. Und das Meer war wundervoll, so klar und warm! Ich wollte gar nicht mehr nach Hause.«
»Das überrascht mich nicht.« Alberta spießte ein Stück Thunfisch auf die Gabel und fragte vorsichtig: »Wie ist es hier, seit du wieder da bist?«
»Na ja«, sagte Marma. »Hier gab es erst mal ein kleines Drama. Keith – erinnerst du dich an Keith? Er hilft mir seit vier Jahren im Garten – er hat Rückenprobleme und wird mindestens sechs Wochen lang nichts im Garten tun können. Ich versuche, alles in Ordnung zu halten, aber es ist schwierig und …«
»Ich werde dir helfen«, sagte Alberta. »Es ist so ein schöner Tag. Wir machen es zusammen.«
»Excelente!« , sagte Marma. »Muy, muy excelente!«
Später erinnerte sich Alberta an diesen Nachmittag wie an einen seltsamen Traum. Sie sprachen weder über Albertas Trennung von Tony noch über Peter
Weitere Kostenlose Bücher