Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)
Geräusch war wieder zu hören. Die Hände verfärbten sich. Sie wirkten jetzt, als ob sie aus rotglühendem Metall bestünden.
Grelle Strahlen schossen gleichzeitig aus beiden Händen heraus. Blitzen gleich zuckten sie durch die Nacht und trafen sich genau zwischen den Schulterblättern des Mönches. Dieser erstarrte mitten in der Bewegung.
Sein Gesicht war eine Maske gefrorenen Schreckens. Der Mund war weit aufgerissen, wie zu einem letzten Schrei. Ein Schrei, den er nicht auszustoßen vermochte. Grelles Licht umfing ihn.
Er zitterte, als ob ein Stromstoß von ungeheurer Stärke seinen Körper durchfuhr.
Das dumpfe Brummen, das von dem Wesen ausging, wurde lauter. Es wirkte beinahe wie ein Laut des Wohlbehagens. Der junge Mönch zuckte noch immer wie eine Marionette. Die Strahlen, die aus den glühenden Händen des Wesens herausschossen, waren wie Fäden, an denen eine willenlose, tote Puppe hilflos zappelte.
Der Körper des Mönchs wurde durchsichtig.
Sein Skelett war wie auf einem Röntgenschirm zu sehen. Dann hörte der Strahlenbeschuss auf. Wie Fackeln leuchteten die rotglühenden Hände des Monstrums. In ihrem Schein war die erstarrte Gestalt des Mönchs zu sehen.
Kaum eine Sekunde lang stand er so da, dann begann sich die Haut an der durch sein orangefarbenes Gewand freigelassenen Schulter aufzulösen.
Sein Fleisch verwandelte sich in Staub.
Wie eine aus nassem Sand geformte Figur bröckelte der Körper auseinander.
Das Skelett in einzelne Knochen.
Es hatte keinerlei Zusammenhalt mehr. Wirbel und Rippen lösten sich voneinander, als würden sie nur noch aus porösem, brüchigen Kalk bestehen.
Mit einem klackernden Geräusch sackte das Skelett förmlich ineinander.
Innerhalb eines Augenblicks lag da nur noch ein Haufen aus feinem, grauen Staub und Knochen. Das orangefarbene Gewand des Mönchs hatte sich über den Totenschädel gelegt. Das Monstrum streckte den Gebeinen des Mönchs die Handflächen seiner noch immer wie glühend wirkenden Pranken entgegen.
In beiden Handflächen entstand eine Öffnung, die an einen gierigen Schlund erinnerte.
Das Brummen, das von dem Wesen ausging, veränderte sich. Die Tonhöhe hob sich etwas, wurde durchdringender. Ein zischendes Geräusch mischte sich dazu.
Der Haufen der Gebeine wurde auf einmal durcheinandergewirbelt. Die Schlünde auf den Handflächen des Monstrums saugten den Staub an. In einem grauen, unheimlichen Strom gelangte das feine, ascheartige Material in die dunklen Öffnungen hinein. Nur das orangefarbene Gewand, Knochen und ein bleicher Totenschädel blieben zurück.
*
Oft genug war ich mitten in der Nacht erwacht, schweißgebadet von einer jenen alptraumhaften Visionen, die mich regelmäßig heimsuchen. Sie sind Teil einer leichten übersinnlichen Begabung, die ich von meiner Mutter erbte. Diesmal aber hatte keine Vision mir den Schlaf geraubt. Keine mehr oder minder rätselhaften Bilder aus der Zukunft, der Vergangenheit oder von fernen Orten waren mir erschienen, Bilder, von denen ich stets wusste, dass sie irgend etwas mit meinem eigenen Schicksal zu tun haben mussten.
Diesmal war es wohl nur der Vollmond gewesen, der für meine Schlaflosigkeit verantwortlich war. Als fahles Rund schien er direkt in mein Schlafzimmer hinein.
Ich seufzte.
Eigentlich brauchte ich den Schlaf. Morgen würde ich wieder früh in der Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS als Reporterin meine Frau stehen müssen. Und dazu war man besser ausgeschlafen.
Aber es hatte keinen Sinn. Immer wieder hatte ich mich in den Kissen herumgewälzt.
Toms Schulter fehlt dir , ging es mir durch den Kopf. Aber Tom Hamilton, der Mann, den ich liebte, war für ein paar Tage nach Stockholm gefahren. Er war ebenso wie ich als Reporter bei dem Boulevardblatt LONDON EXPRESS NEWS angestellt und besuchte als solcher einen Kongress von UFOlogen, um für unser Blatt darüber zu berichten.
Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht.
Ein paar sehnsuchtsvolle Gedanken stellten sich ein. Wie lange wird es sich halten, dieses Gefühl der Verliebtheit?, fragte ich mich. Ich hoffte, für immer. Geräusche rissen mich aus meinen Gedanken heraus. Sie drangen von draußen an mein Ohr.
Schritte!
Ich schlug die Bettdecke zur Seite und stand auf. Barfuß ging ich zum Fenster.
Ich lauschte.
Wieder hörte ich Schritte.
Jemand ging mit harten Sohlen über den Steinweg im Garten. Ich blickte hinaus, sah eine schemenhafte Gestalt. Als sie aus dem Schatten der hohen Bäume ins fahle Mondlicht
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