Ufer des Verlangens (German Edition)
möchte ich den Lumpen da vorn hängen sehen.«
Zelda nickte. »Ich verstehe Euer Bedürfnis nach Rache sehr gut. Auch ich kenne den Kerl, und wenn ich ihm auch nicht den Tod wünsche, so wünsche ich ihm alles andere als das Glück auf Erden.«
Der Richter war unterdessen mit der Verlesung seiner Anklage fertig. Die Menge tobte. Von allen Seiten prasselten Beschimpfungen auf Banda hernieder. Doch dieser sah mit einer Mischung aus Hochmut und Trotz in die Menge und rief zurück: »Ihr Weiber seid Dreck, eine wie die andere. Gerade gut genug, für einen Mann die Beine breit zu machen. Gerade gut genug, um uns zu dienen.«
Eine Flut von faulen Eiern, madigen Äpfeln und verdorbenen Kohlstücken flog heran, und Banda versuchte vergeblich, den Geschossen auszuweichen.
Ein junges Mädchen, das unweit von Zelda stand, brach in Tränen aus. Männer drohten mit der Faust, Frauen keiften.
Nur mit großer Mühe gelang es dem Gericht, für Ruhe zu sorgen.
Im Angesicht der aufgebrachten Menschen entschied der Richter, kurzen Prozess zu machen.
»Ich verzichte darauf, die Zeugen zu hören, denn die Beweise gegen Banda Hall sind erdrückend. Im Namen des Königs von Schottland ergeht folgendes Urteil: Banda Hall wird wegen Menschenraubes und Vergewaltigung in zahlreichen Fällen mit dem Tod durch das Schwert bestraft. Der Henker ist angehalten, das Urteil sofort und vor den Augen der Bürger und Bürgerinnen von Edinburgh zu vollstrecken.«
Die Menge jubelte und klatschte. Hochrufe auf den Richter schallten über den Marktplatz. Es war nicht nur die Sensationsgier, welche die Edinburgher heute hergeführt hatte. Nein, was sich jetzt hier entlud, war der gemeine Volkszorn.
Jeder Dieb, jede Ehebrecherin, jeder Gotteslästerer und jeder Betrüger konnten sich trotz ihrer Vergehen einer gewissen Anteilnahme des gemeinen Volkes erfreuen.Wenn es aber darum ging, Menschen nicht wieder gutzumachenden Schaden zuzufügen oder sich an Wehrlosen, Armen, Kranken, Kindern und Frauen zu vergreifen, da kochte die Volksseele über.
Die ersten Zuschauer begannen nun damit, Steine nach Banda zu werfen. Schon traf der erste ihn an der Stirn, und Blut lief neben dem Rinnsal aus Eidotter und Eiweiß über sein Gesicht. Doch nichts, aber auch rein gar nichts schien dem Halunken die Häme aus dem Gesicht wischen zu können. Noch immer wirkte er hochmütig und trotzig, und aus seinen Augen sprach die Niedertracht.
Der Richter klopfte mit einem Holzhämmerchen auf den Tisch und versuchte, die aufgebrachte Menge zu beruhigen. Doch vergebens.
Schließlich stand er auf, ging zu Banda und sagte so laut, dass die Umstehenden ihn einigermaßen gut verstehen konnten: »Möchtest du vor deinem Tod die Beichte ablegen?«
Gleichzeitig winkte er einem Priester, der im schwarzen Talar ganz in der Nähe des Richtertisches stand, bereit, dem Todeskandidaten in seinen letzten Minuten beizustehen.
»Bist du bereit für die letzte Ölung?«, fügte der Richter an.
Doch Banda lachte ihm frech ins Gesicht, warf den Kopf zurück, sah hinauf zu dem wolkenlosen, strahlend blauen Himmel, den er so nicht noch einmal sehen würde, und antwortete schließlich, ohne dem Richter und dem Priester mit der nötigen Achtung zu begegnen: »Euer Gott kann mir den Buckel herunterrutschen. Ich glaube an den Gott der Nacht, den Gott der Dunkelheit.«
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, schlug derPriester ein Kreuzzeichen und besprengte den Todeskandidaten mit ein wenig Weihwasser. Doch Banda kannte kein Einsehen. Er spuckte nach dem Priester, spuckte auch nach dem Richter und ließ dem ein dröhnendes Gelächter folgen, bei dem es den Zuschauern kalt den Rücken herunterlief.
Die Schergen entließen ihn aus dem Halseisen, der Richtblock wurde herbeigeschafft, der Henker nahte.
Bandas Grinsen wurde ein wenig ängstlicher, doch noch immer wirkte er von der Richtigkeit seiner vergangenen Taten überzeugt. Die Schergen zwangen ihn vor dem Richtblock auf die Knie, die Hände und Füße noch immer mit dicken Stricken gefesselt.
Der Henker mit der schwarzen Kapuze über dem Kopf näherte sich mit harten Schritten, als wäre er der Erzengel mit dem flammenden Schwert. Und eben zog er auch sein Schwert aus der Scheide, ließ es im Sonnenlicht blinken und prüfte mit dem Daumen, ob es auch ausreichend scharf war.
»Habt Ihr noch einen letzten Wunsch?«, fragte er mit einer Stimme, die über den gesamten Platz donnerte, an ein mächtiges Gewitter gemahnte und den Menschen die
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