Ufer des Verlangens (German Edition)
und mit uns gelebt. Und wir haben nichts von seinen Machenschaften bemerkt. Nun, hin und wieder verschwand er für ein paar Tage, doch nach spätestens zwei Wochen stieß er regelmäßig wieder zu uns und reiste mit uns durch Schottland. Ich mache mir Vorwürfe. Hätte ich mehr auf ihn geachtet, so wäre wohl so manchem Mädchen die Schande erspart geblieben.«
Zelda legte Esmeralda eine Hand auf den Arm. »Macht Euch keine Vorwürfe. Banda war alt genug, um allein für seine Taten einzustehen. Ihr hättet es nicht verhindernkönnen. Vielleicht wart Ihr sein einziger Halt, und es wäre noch viel mehr Unheil geschehen, hättet Ihr ihm das Zuhause verweigert, das er bei Euch h atte.«
»Ihr habt wohl Recht, Zelda. Ich danke Euch für Eure Worte und auch für Euren Besuch. Habt Ihr ein Anliegen? Gibt es etwas, bei dem ich Euch behilflich sein kann?«
Esmeralda fasste Zelda am Arm und zog sie zu einem der Planwagen, die am äußersten Rand des Marktplatzes standen. Dort bot sie der jungen Lady einen Becher Wasser an.
»Was kann ich für Euch tun?«, fragte sie noch einmal.
Zelda lächelte ihr dankbar zu: »Ich bin auf der Suche nach meiner Schwester Joan und vermute, auch sie ist in die Hände einer Mädchenräuberbande gefallen. Man erzählt sich in Edinburgh, dass diese geraubten Mädchen bis zu ihrer Überfahrt nach Frankreich in Herbergen versteckt gehalten werden oder – im allerschlimms-ten Fall – in den Hafenbordellen landen. Ich kann mich leider nicht in diese Häuser begeben, und selbst, wenn ich es könnte, so ist doch nicht damit zu rechnen, dass man mir mit Auskünften diente. Deshalb bitte ich Euch von ganzem Herzen, einen Eurer Leute zu schicken, die ihre Dienste in diesen Häusern anbieten könnten und dabei Augen und Ohren offen halten.«
Esmeralda nickte und sah Zelda voller Mitgefühl an. »
Natürlich tun wir das. Ich werde höchstpersönlich alle Herbergen und Bordelle der Stadt abklappern und als Wahrsagerin und Handleserin meine Dienste anbieten. Wir sind es Euch schuldig, Lady Zelda.«
Zelda schüttelte den Kopf. »Ihr seid mir nichts schuldig. Für Bandas Übergriff seid Ihr nicht verantwortlich. Ihr habt Elizabeth und mich aufgenommen, als wirHilfe brauchten, und dafür sind wir Euch zu Dank verpflichtet.«
Die beiden Frauen sahen sich an und erkannten in den Blicken der anderen die gegenseitige Zuneigung.
»Kommt heute Abend bei Einbruch der Nacht zum Hafen. Ich denke, bis dahin werde ich vielleicht ein paar Neuigkeiten für Euch haben.«
Zelda bedankte sich noch einmal und beschrieb dann in aller Ausführlichkeit Joans Aussehen. Esmeralda hörte gut zu, dann raffte sie ein paar Dinge zusammen, die sie für ihre Arbeit brauchte, und machte sich sogleich auf den Weg.
Am Abend, auf dem Empfang im Stadthaus von Lord Hallberry, war Zelda noch immer in Gedanken versunken.
Sie betrachtete die prächtigen Räumlichkeiten, ohne wirklich etwas zu sehen. In einem sehr großen Raum war in der Mitte eine Tafel aufgebaut, die sich unter den verschiedensten Köstlichkeiten bog. Gebratene Hühner, ein ganzes Lamm und ein Spanferkel, Schweinskopfsülzen, die zu den unterschiedlichsten Skulpturen aufgebaut waren, verschiedene Fischarten, Pasteten, köstliche Kuchen und Süßspeisen reihten sich aneinander.
Das Geschirr war aus feinstem Silber. In den ziselierten Pokalen brach sich das Licht der unzähligen Leuchter.
Ungefähr fünfzig Gäste, die Spitze der Edinburgher Gesellschaft, hatte sich heute versammelt, um die Verlobung der Tochter des Hauses zu feiern. Gwendolin Hallberry, so hatte Laetitia ihr heute beim Nachmittagstee vertraulich mitgeteilt, war die jüngste Tochter Lord Hallberrys und einzige Erbin, nachdem ihre ältereSchwester nach einer unglücklichen Liebe ins Wasser gegangen war.
Die Verlobung mit Sir Christopher Temple heute geschah keineswegs aus gegenseitiger Zuneigung, sondern war das Ergebnis rein wirtschaftlicher Überlegungen.
Lord Hallberry war Reeder und Kaufmann zugleich. Er besaß einige große Segelschiffe, die zumeist deutsche Häfen anliefen. Er machte gute Geschäfte mit der Hanse, aber auch in Amsterdam war er ein gern gesehener Handelspartner.
Seine Macht und sein Einfluss in Edinburgh waren schon immer recht groß, doch nun hatte er sich – wie Laetitia zu berichten wusste – sogar in den Rat gekauft, und die Gerüchteküche brodelte.
Gwendolin, so hieß es, müsse den heiraten, der die besten geschäftlichen Verbindungen mit in diese Ehe brächte. Der
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