Ufer des Verlangens (German Edition)
was er ihr von den Frauen erzählt hatte. Sie wusste, dass er an seine Worte glaubte, dass Frauen für ihn nichts weiter als Dreck waren, im besten Fall geeignet, um sie zu verkaufen.
Schon führten die Schergen des Rates Banda zur Seite und schlugen ihn in ein Halseisen. Sie gingen grob mit ihm um, ließen keine Gelegenheit aus, ihn zu stoßen und zu knuffen.
Die Menge wurde allmählich laut. Schimpfwprte waren zu hören: »Hurenknecht!«, schrie einer, »Halunke!«, ein anderer.
Eine Frau warf mit faulen Eiern. Eines davon traf Banda an der Stirn, und die Flüssigkeit lief ihm in die Augen und über das ganze Gesicht.
Fliegen kamen herbei, setzten sich auf das Eigelb.
Zelda sah ihn an, und einen Augenblick lang bedauerte sie ihn. Sie sah, dass die Fliegen ihn quälten, doch seine gefesselten Hände hinderten ihn daran, sie zu verscheuchen.
Was ging wohl in seinem Kopf vor, wenn er die Mädchen leiden sah?, dachte sie. Gab es wirklich einen Menschen, der keinerlei Mitgefühl für andere aufbrachte?
Das Mitleid verging ihr rasch, als der Richter die Anklage verlas.
»Banda Hall ist angeklagt der Vergewaltigung, des Raubes und Menschenhandels«, las der Richter vor. Dann kam er zu den Einzelheiten. Zelda hörte zu, und mit jedem Wort wurde ihr banger. Sie hatte Glück gehabt, mehr als Glück. Sie war einem Mörder und Schänder entkommen, doch leicht hätte sie auch ein anderes Schicksal treffen können.
Sie hörte von der 17-jährigen Anne, die Banda am See Lochness kennen gelernt und gegen ihren Willen verschleppt hatte. Das junge Mädchen wurde vergewaltigt, und als sie kurze Zeit später feststellte, dass sie schwanger war, ging sie ins Wasser. Sie und das Kind in ihrem Leib starben in den kalten Fluten von Lochness.
Und Zelda hörte von Mary, einer jungen, mutterlosen Lady, die von ihrem Vater sehr streng gehalten wurde. Auch ihr hatte Banda ein Leben in Frankreich versprochen, hatte die streng Erzogene mit Honigmilch und gebratenen Täubchen gelockt. Heute lebte sie in Calais bei einem steinalten Mann, dem sie als Pflegerin dienen musste.
Die Geschichte des nächsten Mädchens ließ Zeldas Blut in den Adern stocken. Joan hieß sie, Joan wie ihre geliebte kleine Schwester.
Sie war die jüngste Tochter einer kinderreichen Familie, von klein auf dazu bestimmt, in ein Kloster zu gehen. Doch Joan war zu lebenslustig. Sie verliebte sich in den Mädchenräuber, ging mit ihm und landete schließlich in einem Bordell. Doch sie hatte Glück im Unglück. Ihre Familie scherte sich nicht um die Schande, sondern holte das Kind zurück in den Schoß der Familie.
»Wenn ich könnte, würde ich dich umbringen«, schrie ein älterer Herr, an seiner Kleidung als ein Angehöriger des niederen schottischen Adels zu erkennen. »Meine Joan lacht nicht mehr, seit sie dich getroffen hat. Du hast ihr die Lebensfreude genommen, Lump, verfluchter.«
Zelda drehte sich um und sah den Lord mit Bewunderung an. Auch ihr Vater, das wusste sie, hätte um sie gekämpft. Ja, sie war sich ganz sicher, dass, was immer auch geschehen wäre, er sie oder Joan niemals verstoßen hätte.
Joan! Wo war sie? Immer wenn Zelda an sie dachte, raste ihr Herz. Sie fühlte, dass die Zeit ihr zwischen den Fingern zerrann, doch noch immer wusste sie nicht, was sie tun sollte.
Plötzlich hatte sie einen Einfall. Sie drängelte sich zu dem älteren Lord herüber und zupfte ihn sanft am Ärmel.
»Entschuldigt, Sir«, sagte sie höflich. »Ich verstehe Euren Schmerz und bitte Euch um Hilfe. Meine Schwester, die denselben Namen trägt wie Eure Tochter, ist verschwunden. Ich vermute, auch sie ist einem Mädchenräuber in die Hände gefallen. Könnt Ihr mir genau erzählen, was mit Eurem Kind geschehen ist?«
Der alte Herr sah sie ein wenig misstrauisch an. »Ihr seht nicht aus, als würdet Ihr Euch die Butter vom Brot nehmen lassen«, sagte er.
Zelda nickte. »Da habt Ihr vielleicht Recht, doch meine Schwester war ebenfalls für ein Leben im Kloster bestimmt. Sanft ist sie und freundlich zu jedermann, sieht in keinem Menschen etwas Böses. Es ist leicht möglich, dass ihr Ähnliches widerfahren ist wie Eurer Tochter. Deshalb bitte ich Euch noch einmal inständig, mir zu helfen.«
Der alte Mann nickte. Etwas Müdes haftete seinen Bewegungen an. Er hob kraftlos den Arm und zeigte auf die Ratsstube.
»Vielleicht ist dort der richtige Ort, um miteinander zu reden«, sagte er. »In einer Ratsstube sind junge Frauen wie Ihr an einem guten Platz. Doch vorher
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