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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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Sprache verschlug. Hatte irgendjemand bisher noch glauben können, alles ginge gut aus, so wurde durch die Anwesenheit des Henkers mit der schwarzen Kapuze und dem blinkendem Schwert auch dem Letzten klar, dass es hier nun ernst wurde, dass es um Leben und Tod ging.
    »Habt Ihr noch einen letzten Wunsch?«
    Banda sah hoch und schluckte so heftig, dass sein Adamsapfel auf und nieder hüpfte. Er öffnete den Mund, doch er schien keine Worte mehr zu haben. Sein Blick war nun flehentlich, alles Trotzige, Niederträchtige, Hämischewar daraus verschwunden. Wieder schluckte er, rang nach Worten, wieder waren seine Bemühungen vergebens. Schließlich resignierte er und schüttelte den Kopf.
    Es war diese kleine Begebenheit, die Zelda ins Herz schnitt: die Verwandlung Bandas vom frechen Verbrecher zum hilflosen, flehenden Bündel Mensch. Nichts Bedrohliches ging von ihm mehr aus. Er war ebenso schwach und ohnmächtig ausgeliefert wie einst seine Opfer.
    Zelda hatte ihn übermächtig erlebt, hatte geglaubt, er verfüge mit Worten und Muskeln über Riesenkräfte, die ihm gestatteten, sie klein zu machen, zu beschmutzen. Doch nun, im Angesicht von Bandas Selbsterniedrigung, schrumpfte der Mann in ihren Augen vom Riesen zum jämmerlichen Zwerg. Zelda spürte, wie Verachtung für Banda in ihr aufstieg. Und dieses Gefühl bewirkte, dass sie sich weniger beschmutzt fühlte.
    Fast hätte Zelda gelächelt, als der Henker schließlich sein Schwert hob und es in einem gewaltigen Hieb auf den freigelegten Nacken Bandas niedersausen ließ. Das Schwert trennte mit einem einzigen Schnitt den Kopf vom Rumpf. Der Kopf rollte vom Richtblock und kullerte den zuvorderst Stehenden vor die Füße. Ein Aufschrei des Entsetzens hallte über den Marktplatz, die Menschen bekreuzigten sich und murmelten Gebete, während die toten Augen des einzelnen Kopfes starr zum Himmel gerichtet waren.
    Der Anblick war unerträglich. Und während der Henker den enthaupteten Leib mit der Spitze seines blank geputzten Stiefels vom Richtblock stieß, sodass er mit verrenkten Gliedern auf dem Boden zu liegen kam und die beiden Schergen herbeieilten, ihn auf einen bereitstehenden Karren zu transportieren, wandten die meisten die Augen ab, um sich dem Gefühl der eigenen Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit zu entziehen.
    Nur Zelda starrte wie gebannt auf den kleinen Jungen, der vorsichtig näher trat, zuerst mit seinem kleinen Fuß gegen das Kinn des Hauptes stieß, sich dann niederbückte und mit seiner kleinen Hand einmal flüchtig über die Wange des toten, bleichen Hauptes fuhr, aus dem das Blut wie ein Lebensquell hervorsprudelte.
    Die Bäuerin, die neben Zelda stand, atmete schwer und hatte eine Hand auf ihren wogenden Busen gedrückt.
    Auch wenn sie dem Lump noch vor wenigen Augenblicken den Tod gewünscht hatte, so war ihr nun doch unwohl im Angesicht dessen, was sie herbeigesehnt hatte.
    »Ich werde eine Kerze für seine arme, verlorene Seele anzünden«, versprach sie sich oder dem Gott, an den sie glaubte. Dann nahm sie ihren Weidenkorb auf und eilte, die Hand noch immer auf den Busen pressend, von dannen.
    Zelda sah ihr nachdenklich hinterher. Es war das erste Mal, dass sie auf eine solche Art und Weise mit dem Tod in Berührung gekommen war. Sie empfand keine Befriedigung, war aber ebenso weit von reiner Bestürzung entfernt.
    Zelda sah sich auf eine ruhige Art und Weise Gottes Gerechtigkeit gegenüber, die auch für ihr Handeln und Tun den Maßstab setzte.

16. Kapitel
    Langsam zerstreute sich die Menge, und Zelda gelangte, im Menschenstrom zum Rand des Marktplatzes. Sie hielt Ausschau nach dem Vater der armen Joan, doch er schien sie vergessen zu haben. Hilflos strebte er mit der Menge, seine Schultern zuckten. Zelda wusste, dass er “weinte, und so sehr sie auch weitere Auskünfte herbeisehnte, um Joan endlich zu finden, so verbot es ihr der Anstand, dem Weinenden nachzugehen und seinen Schmerz und seine Trauer zu stören.
    Ihre Blicke flogen von rechts nach links auf der Suche nach Esmeralda und ihrer Truppe. Es dauerte nicht lange, da entdeckte sie die Zigeunerin, rief ihren Namen und winkte ihr zu.
    »Gott zum Gruß, Esmeralda«, sagte Zelda und ließ sich in den Arm nehmen.
    »Habt Ihr der Gerichtsverhandlung beigewohnt?«, fragte die Zigeunerin.
    »Ja«, erwiderte Zelda. »Doch ich wusste nicht, dass es sich bei dem Angeklagten um Banda handelte.«
    Esmeralda seufzte. »Ich konnte nicht zusehen, wie er enthauptet wurde. Er hat so lange bei uns

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