Ufer des Verlangens (German Edition)
Hafergrütze,antwortete nur einsilbig auf die Bemerkungen Laetitias nach der gestrigen Verlobungsfeier bei den Hallberrys und stand bereits als Erste wieder auf, kaum, dass die anderen ihre Mahlzeit beendet hatten.
Den Rest des Vormittags verbrachte Zelda in ihrem Zimmer. Unruhig schritt sie auf und ab, setzte sich für ein paar Augenblicke auf den Bettrand, stand auf, um mit ihrer Wanderung fortzufahren, setzte sich erneut.
Laetitia kam herein, erkundigte sich nach ihrem Befinden und fragte nach Fortschritten bei ihrer Suche nach Joan. Zelda betrachtete ihre Tante, sah, dass sich ihr Kleid bereits in Höhe des Nabels wölbte, und versicherte, dass alles seine Ordnung habe.
»Ich habe einige Informanten ausgeschickt«, berichtete sie und achtete sorgsam auf die Wahl ihrer Worte. Um nichts in der Welt wollte sie Laetitia in Aufregung versetzen und womöglich dem Ungeborenen in ihrem Leib Schaden zufügen. »Am Mittag werde ich möglicherweise Neuigkeiten erfahren. Ich hoffe nicht, dass es notwendig sein wird, selbst nach Frankreich zu fahren.«
Laetitia seufzte und strich sich über den Bauch. »Was immer du brauchst, Zelda, scheue dich nicht, es zu sagen. Das Wohl meiner beiden Nichten liegt mir sehr am Herzen. Und wenn du tatsächlich über das Meer reisen musst, so werden weder William noch ich dich ohne männliche Begleitung auf die Reise schicken. Auch an Geld soll es dir nicht mangeln.«
Sie reichte Zelda schon zum zweiten Mal nach ihrer Ankunft in Edinburgh einen Lederbeutel, der prall mit englischen Pfund gefüllt war.
Gerührt umarmte Zelda ihre Tante und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich danke dir, Laetitia. Undich hoffe und wünsche, dass dir mein Aufenthalt in deinem Hause nicht zu viel wird.«
Laetitia winkte lachend ab. »Wo denkst du hin? Ich bin froh, dass du da bist, dass du mir Elizabeth mitgebracht hast. Endlich hat die Langeweile ein Ende. Es gibt nichts Schöneres für eine Schwangere, als sich mit einer anderen Frau über dieses Thema zu unterhalten.«
Die Turmuhr der nahen Kirche hatte noch nicht zum Mittag geschlagen, als Zelda sich bereits auf den Weg zum Markt machte, um von Esmeralda die neuesten Nachrichten zu erfahren.
Doch als sie am alten Platz angelangte, war dort niemand mehr.
Zelda sah sich nach allen Seiten ratlos um. Schließlich fragte sie einen Scherenschleifer, den sie schon des Öfteren an dieser Stelle gesehen hatte: »Sagt, guter Mann, wo sind die Zigeuner, die noch gestern hier ihre Kunststücke dargeboten haben?«
»Weg sind sie. Im Morgengrauen haben sie ihre Planwagen beladen und sind davongefahren.«
»Aber wieso denn?«, fragte Zelda hilflos. »Ich war mit Esmeralda hier verabredet! «
Der Scherenschleifer holte einen Stein aus einer alten, abgewetzten ledernen Hülle und fuhr damit über die Schneide eines einfachen Messers. Das Geräusch, welches dabei entstand, verursachte eine Gänsehaut auf Zeldas Armen. Sie fröstelte und bedauerte, kein Umschlagtuch mitgenommen zu haben.
Es war inzwischen Juni geworden. Und war der Mai auch heiß und sonnig gewesen, so ließ der Juni beinahe vergessen, dass der Sommer vor der Tür stand. Schwere Wolken hingen unbeweglich über der Stadt und verdunkeltendie Sonne. Die Schwalben, die langsam aus dem warmen Süden zurückgefunden hatten, flogen dicht über die Hausdächer und kündigten Regen an.
»Esmeralda war es, die die halbe Nacht weg war. Als sie wiederkam, hat sie angeordnet, dass die Truppe sofort weiterreist. Ich fand das ungewöhnlich. Aber wer weiß schon, wie es die Zigeuner halten. Andere Leute, andere Sitten, sage ich immer. Habe ich nicht Recht, junge Lady?«
Der Scherenschleifer sah Zelda Beifall heischend an und kratzte weiter mit seinem Stein über die Klinge.
»Ist Euch etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«, fragte Zelda, die einfach keine Erklärung dafür fand, dass Esmeralda sie im Stich gelassen hatte. Es musste etwas vorgefallen sein, sonst hätte die Zigeunerin auf sie gewartet. Kein Wort hatte sie am Vorabend darüber verlauten lassen, dass die Truppe Edinburgh verlassen wollte.
»Ungewöhnlich, ungewöhnlich! Was ist schon ungewöhnlich? Sie kam und befahl den anderen, sich zur Abreise bereit zu machen. Das war’s.«
»War sie sehr in Eile? Wirkte sie besorgt? Hatte sie vielleicht sogar Angst?«
Der Scherenschleifer zuckte mit den Achseln. »Angst? Ich weiß es nicht. So genau kannte ich sie nicht. Erst drei Tage lang hatten wir unsere Wagen nebeneinander stehen. Eilig hatte
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