Ufer des Verlangens (German Edition)
umzusehen in den Wald hinein.
Blind vor Tränen ritt sie über die Felder, hielt auf der Hälfte der Strecke im Schutz einer kleinen Baumgruppe an, atmete mehrmals tief durch und legten den Kopf an Roses warmen Hals. Dann weinte sie, wie sie noch nie in ihrem Leben geweint hatte. Schluchzer schüttelten ihren Körper, die Tränen liefen in Strömen über ihre Wangen und versickerten im Fell des Pferdes. Sie fühlte sich so zerrissen zwischen ihrer Liebe zu Ian und den Pflichten einer Lady McLain, die bald schon eine Lady Kingsley werden würde, dass ihr Herz zu bersten drohte.
»Ich muss dich vergessen, Ian Laverty«, flüsterte sie vor sich hin. »Deine Hände und Küsse, deine Stimme und dein Lachen. Alles muss ich vergessen. Ich habe Pflichten, vor denen ich nicht davonlaufen kann. Der Frieden in diesem Teil der Highlands liegt auch in meinen Händen. Und dieser Frieden ist unverzichtbar füralle, die hier leben. Deshalb muss ich auf dich verzichten, Ian. Mein Glück gegen das Glück so vieler anderer. Was ist schon der Seelenfrieden einer Einzelnen gegen den Frieden für einen ganzen Landstrich?«
Sie seufzte und sah nach oben in einen strahlend blauen Himmel, an dem einige duftige Wolken wie Wollflocken durch das Blau trieben, als erwartete sie Hilfe von dort.
Der Gedanke an ihre Pflichten hatte den Tränen Einhalt geboten. Zelda wusste, was von ihr erwartet wurde. Und sie würde ihre Pflicht erfüllen. Was immer auch geschah. Seit ihrer Kindheit war sie auf die Aufgaben einer Lady vorbereitet worden. Und sie trug die Verantwortung, den Stolz und die Ehre der McLains in ihrem Herzen.
Sie dachte an Joan, die ebenfalls verzichten musste, und der Gedanke an ihre Schwester tröstete sie ein wenig.
Noch immer sah sie nach oben zu den Wolken, dann faltete sie die Hände und schloss die Augen.
»Lieber Gott«, betete sie. »Lieber Gott, lass mich diesen Mann und diese beiden wundervollen Begegnungen vergessen. Hilf mir, Allistair die Frau zu werden, die er braucht und die er sich wünscht.«
Am Abend bürstete Zelda ihr Haar vor einer polierten Metallplatte, die auf einer kleinen Anrichte in ihrem Gemach stand und die sie als Spiegel benutzte.
Im Grunde mochte sie ihre langen, roten Locken nicht. »Feuerteufel« hatten die Kinder ihr früher nachgerufen. Oder »Rotschopf, das Haus brennt«.
Sie hatte sich immer Haare gewünscht, wie Joan sie hatte, glattes, feines Haar, das wie Seide schimmerte.
Doch Ian hatte heute gesagt, die Haare passten zu ihr, sie wären wild und ungebändigt wie diese Landschaft. Sie betrachtete die Locken, und plötzlich gefielen sie ihr. Zum ersten Mal im Leben war sie froh über ihre “wilde Mähne, zum ersten Mal sah sie die lodernde Pracht mit Wohlgefallen.
Ians Worte hatten diese Verwandlung bewirkt. Ians Worte hatten von ihrer Schönheit gesprochen, und nun versuchte Zelda, sich mit seinen Augen zu sehen.
»Die Augen so grün wie der See.«
Sie trat dichter an den Spiegel, betrachtete ihre Augen. Ja, Ian hatte Recht. Sie hatten wirklich die Farbe des Sees an einem Sonnentag. Rings um die Iris verschönerten braune Punkte ihre Augen, braune, glänzende Punkte, die an die Sonnenflecken auf dem See erinnerten und in den Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken eine Fortsetzung fanden.
»Deine Nase ist von Sternen übersät wie der Himmel über Schottland bei Nacht, und dein Mund ist so schön geschwungen wie der Bogen des Liebesgottes Amor.«
Behutsam fuhr Zelda mit einem Finger die Konturen ihrer Lippen nach. Rot, voll und prall wie reife Kirschen wirkten sie – und Zelda sah zum ersten Mal ihre Schönheit.
Langsam öffnete sie ihr Mieder und streifte das Kleid von ihrer Schulter.
Sie strich über das weiße Rund, fühlte die Zartheit ihrer Haut. Noch nie hatte sie sich so gesehen, noch nie hatte sie sich so berührt.
Ihr Körper war einfach nur ein Körper gewesen, über den sich Zelda niemals auch nur die geringsten Gedanken gemacht hatte. Er war da wie die Luft, die man zum Atmen brauchte, aber die man nie bewusst bemerkte.
Arme und Beine waren einfache Gliedmaßen, einzig dazu da, eine Aufgabe zu erfüllen. Der Mund diente allein zum Essen und zum Trinken, die Brüste waren ein ärgerliches Anhängsel, für das sie bisher keinerlei Verwendung gefunden hatte, die Haut schützte nur unzureichend gegen Kälte, war im Sommer hilflos der Wärme ausgesetzt, die Knochen ein bloßes Gerüst, um sie zu halten.
Zelda war einfach Zelda, und sie hatte sich niemals große
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