Ufer des Verlangens (German Edition)
Sie hatten ja nur die Liebe gelernt! Also baten die Herbergsväter derStadt um Gnade. Der Coroner ließ sich erweichen und beschloss, die schlimmsten Huren nach Frankreich über den großen Teich zu bringen. Nun, da hinten in der Ecke sitzen sie und warten darauf, dass die Morgendämmerung kommt und sie zum Hafen gehen können.«
»Nette Geschichte«, sagte Zelda und stieß ihren Alekrug gegen den des Mannes. »Wo aber wenden sich Leute hin, die nicht aus England oder Schottland verstoßen wurden und in Geschäften als Passagiere auf einer Karavelle auf den Kontinent wollen?«
Der Hafenarbeiter lachte keckernd. »Ihr seid schon der Zweite in dieser Woche, der solch eine Frage stellt.«
»So? Bin ich das?«
Der Lärm hatte Zelda ermüdet, doch bei dieser Bemerkung wurde sie hellwach.
»Ja«, nickte der Mann. »Vor zwei Tagen kam ein Lord mit einer jungen Lady hier vorbei. Ich sah sie kurz mit einem der Schankmädchen sprechen. Dann setzte sich der Mann an den Tisch und schrieb mit einer Feder eine Nachricht auf ein Stück Pergament. Die Lady saß derweil blass und erschöpft in der Ecke, und wenn mich nicht alles täuschte, so weinte sie sogar. Der Mann gab die Nachricht Lizzy, der Wirtstochter, dann gingen sie.«
Zelda versuchte, einen gelangweilten Eindruck zu machen, damit der Hafenarbeiter keinen Verdacht schöpfte und sie am Ende noch für einen Spion des Coroners hielt.
Sie trank einen Schluck Ale, wischte sich nach Art der Männer mit der Hand den Schaum von den Lippen und betrachtete die Schankmädchen. Ziellos zeigte sie auf eine davon, die ziemlich drall war, ein loses Mundwerk hatte und nicht aussah, als ließe sie sich von irgendjemand die Butter vom Brot nehmen.
»Ist das Lizzy?«, fragte Zelda arglos.
»Genau so ist es, Sir. Sie ist zwar die Tochter des Wirtes, doch einen jungen, feschen Mann, wie Ihr es seid, verschmäht auch sie nicht. Wenn Ihr etwas lernen wollt, so haltet Euch an sie.«
»Danke«, sagte Zelda, ließ dem Hafenarbeiter noch einen frischen Krug Ale bringen und beobachtete die weiteren Geschehnisse im Blauen Anker .
Es war inzwischen tief in der Nacht. Die Sperrstunde rückte immer näher. Als das Getümmel im Gasthaus für wenige Augenblicke nachließ, konnte Zelda sogar den Nachtwächter hören, der mit einer Fackel und dem Stundenglas durch die Gassen schritt und die Zeit verkündete: »Liebe Leute, lasst Euch sagen, die Uhr hat die neunte Stunden geschlagen. Beendet das Tagwerk und geht zur Ruh, auch die Engel im Himmel haben die Äuglein schon zu.«
Die ersten Gäste bereiten ihren Aufbruch vor. Der Wirt verschloss das Alefass und hieß die Mädchen, nichts mehr auszuschenken. Schneller als Zelda geglaubt hatte, leerte sich der Blaue Anker .
Auch der Hafenarbeiter knallte ein paar Geldstücke auf den fleckigen Holztisch und erhob sich. »Na dann, gutes Gelingen«, wünschte er, packte seinen Kumpan unter der Schulter, zog ihn hoch und verließ unter seiner Last schwankend die Schankstube.
Bald schon war Zelda allein. Sie wartete, bis Lizzy sie ansah, dann winkte sie das Mädchen herbei.
»Schön bist du«, sagte sie und bemühte sich um einen besonders männlichen Tonfall. »Viel zu schön für Dundee. Eine Frau wie du gehört nach Edinburgh oder gar nach London.«
»Gefalle ich Euch wirklich?«, kokettierte Lizzy und strich sich über das Haar, das nach einer Wäsche verlangteund fettig über ihre Schultern bis auf den Rücken fiel.
»Sehe ich aus wie ein Lügner?«, fragte Zelda und legte eine Hand auf die Stelle ihres Wamses, unter der das Herz schlug.
»Alle Männer sind Lügner«, kicherte Lizzy.
»Komm, trink noch einen Krug mit mir, meine Schöne«, schlug Zelda vor und blinzelte Lizzy zu. Die Wirtstochter, die schon kräftig dem Ale zugesprochen hatte, kicherte und sagte: »Es ist schon Sperrstunde. Die Gaststube muss leer sein, wenn gleich der Wächter seine Runde macht. Es ist Ausschankschluss.«
»Geht man in Dundee mit den Hühnern schlafen?«, fragte Zelda spöttisch, holte ein paar Geldstücke aus ihrer Katze und knallte sie auf den Tisch. In Lizzys Augen trat ein gieriges Funkeln.
Sie beugte sich über Zelda und flüsterte: »Ihr könnt mich auf meinem Zimmer besuchen, Sir. Dort habe ich noch mehrere Krüge mit Ale.«
»Nun«, Zelda tat, als ließe sie sich das Angebot durch den Kopf gehen. »Ich wollte sowieso hier übernachten. Macht mir ein Zimmer bereit und besucht mich dort. Bringt genügend Ale mit. Und wenn Ihr solchen habt, so wäre gegen
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