Ufer des Verlangens (German Edition)
ein bisschen Branntwein auch nichts ein^ zuwenden.«
Lizzy kicherte erneut und nickte. Sie ging zu einem Brett, das an der Wand neben der Küchentür hing, und angelte einen Schlüssel herunter.
»Hier, Sir, ich gebe Euch das beste Zimmer.«
Zelda nickte, ließ sich den Weg beschreiben und ging die schmale Treppe hinauf in den ersten Stock, in dem die Gästezimmer und die Gemächer der Freudenmädchen lagen.
Sie musste nicht lange warten, da kam Lizzy. Sie hatte Wort gehalten und brachte einen vollen Krug Branntwein mit, dessen Geruch allein in Zelda Übelkeit hervorrief.
Sie goss dem Mädchen großzügig ein, trank selbst einen Schluck und spuckte den Branntwein, der ihr wie Feuer in der Kehle loderte und,ihre Eingeweide zu verbrennen drohte, in einem unbeobachteten Moment in das Nachtgeschirr.
Lizzy dagegen trank das Zeug wie Wasser. Zelda goss ihr nach und wartete darauf, dass sie müde und redselig zugleich wurde. Sie musste nicht lange warten.
»Ihr, hicks, seid ein Gentleman, hicks«, lallte Lizzy recht bald und reckte ihre Brüste, die das Mieder fast zu sprengen drohten.
»Und du bist eine äußerst interessante Frau, die bestimmt schon viel erlebt hat und viel erzählen könnte.«
»Und ob«, kicherte Lizzy und trank weiter.
»Nun, ich bin noch nicht so weit in der Welt herumgekommen wie du, ich weiß nichts von den Schicksalen überall um uns herum. Aber du, schöne Lizzy, weißt bestimmt viel darüber, was einem in dieser Welt alles so passieren kann.«
Lizzy kicherte, nickte und hielt Zelda ihren leeren Becher hin, damit diese ihn aufs Neue mit Branntwein füllte.
Dann sprach sie weiter, sprach mit schwerer, ungelenker Zunge der Trunkenen, die sich jedoch ausgesprochen wohl in ihrer Haut fühlte. »Ja, hicks, Schicksale, hicks. Wenn Ihr wüsstet! Was wollt Ihr wissen, hicks?«
»Nun, wissen möchte ich vor allem, was einem jungen Lord wie mir so alles in der Stadt geschehen kann. Aber von den Lords weißt du wohl nicht so viel, nicht wahr?«
Lizzy zog einen Schmollmund. »Und ob ich von denLords und Ladys weiß! Glaubt Ihr, mein Vater führt eine Spelunke, hicks? Nein, nein! Bei uns verkehrt die ganze Gesellschaft. Vom Matrosen bis zum Bürgermeister.«
»Das glaube ich dir nicht. Gibt zu, du schneidest ein wenig auf. Heute Abend habe ich jedenfalls keinen anderen Lord gesehen, und ich bezweifle auch, ob jemals eine Lady den Blauen Anker von innen gesehen hat.«
»Pah!«, machte Lizzy. »Erst vor wenigen Tagen waren ein Lord und eine Lady hier bei uns! «
»Wirklich?«
»Wenn ich’s doch sage! «
»Und was wollten die hier?«
Lizzy zuckte mit den Schultern. »Ich kümmere mich nicht um den Kram anderer Leute.«
Sie wirkte plötzlich ein wenig nüchterner, und Zelda beeilte sich, den Becher erneut mit Branntwein zu füllen.
»Wie sahen die beiden denn aus?«
Lizzy winkte ab. »An der Frau war nichts Besonderes. Ein schmales, zartes Ding mit blonden Haaren, einem blassen Gesicht und grauen Augen. Sie wirkte wie eine Klosterschülerin. Saß da mit im Schoß gefalteten Händen. Den Mann dagegen würde ich nicht von der Bettkante schubsen. Groß war er, mit breiten Schultern und glänzendem Haar, das wie poliertes Holz aussah.«
»Und was wollten diese Herrschaften?«
»Keine Ahnung, was der Lord und die Lady wollten, hicks. Dasselbe wie Ihr, vermute ich.«
»Und was will ich?«, fragte Zelda.
»Ihr seid gekommen, um Euch zu amüsieren. Das sieht man doch. Außerdem hättet Ihr mich sonst nicht auf Euer Zimmer bestellt.«
»Da hast du wohl Recht«, erwiderte Zelda und goss schnell noch ein wenig Branntwein nach. »Wie aberamüsiert sich denn eine Lady im Blauen Anker?« , fragte sie gespielt verwundert.
»Was weiß ich, hicks. Ich habe schon die komischsten Sachen erlebt. Frauen, die gekleidet waren wie Ladys, sich benommen haben wie Ladys, aber am Ende doch nur Huren waren, wenn auch Huren für die reichen Leute. Und wirkliche Ladys, denen ein Mädchenhändler so schöne Augen gemacht hat, dass sie bereit waren, ihr warmes heimisches Nest zu verlassen, um mit ihm in die Fremde zu gehen.
So manche von ihnen fand sich plötzlich in einem Hurenhaus wieder. Die Männer zahlen gut, wenn sie wissen, dass es eine Lady ist, die für Geld die Beine breit macht. Die wenigsten haben die Kraft und den Mut zu fliehen. Als entehrte Frau werden sie in ihrer Gesellschaft nicht mehr geduldet. Der Familienname, die Ehre und der Stolz sind für immer beschmutzt. Ich habe sogar gehört, dass ein
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