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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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Das Weib schrie auf und kippte nach vorn, wobei die Kleider zurückfielen und ihren Hintern bedeckten.
    Zelda verzog angewidert den Mund und suchte nach einem abgelegen Platz, doch hier gab es keine stillen Ecken. Also quetschte sie sich neben zwei Hafenarbeiter, die zwar ebenso über die besoffene Hure lachten wie die anderen, aber ansonsten einigermaßen manierlich aussahen.
    Zelda sah sich aufmerksam um, und tatsächlich entdeckte sie an einem Tisch, der etwas entfernt von den anderen stand, fünf Frauen und einen Mann, die sich von der allgemeinen Belustigung fern hielten. Die Frauen trugen Schleier über den Gesichtern, sodass man sie nicht erkennen konnte.
    »Gute Stimmung, wie?«, fragte Zelda und wandte sich an einen der Hafenarbeiter.
    »Ach«, winkte der ab. »In den letzten Tagen geht es hier eher ruhig zu.«
    »Ruhig?«, fragte Zelda, welcher der Lärm fast das Trommelfell zerriss. »Ruhig? Was in Gottes Namen geschieht denn sonst noch hier?«
    »Ihr seid keiner aus der Stadt«, stellte der Hafenarbeiter fest und betrachtete Zelda genauer. »Ganz grün hinter den Ohren seid Ihr wohl noch, was? Seid nach Dundee gekommen, um die Liebe zu kosten?«
    Zelda lächelte, verkniff sich eine Antwort und hob fragend die Schultern.
    Der Hafenarbeiter lachte. »Da seid Ihr zu spät dran, mein Freund.«
    »Wieso?«, fragte Zelda. »Was habe ich denn verpasst?«
    Der Hafenarbeiter beugte sich zu Zelda und blies ihr seinen sauren Atem ins Gesicht. Zelda zuckte mit keinem Muskel.
    »Eine Razzia gab es vorige Woche«, flüsterte der Mann. »Der Wirt hier, Harry, hatte zu viele Pferdchen laufen, wenn Ihr versteht, was ich meine?«
    Zelda guckte fragend. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wovon der Mann sprach.
    »Nun, Pferdchen halt. Und hat an das Hurenhaus nur für zwei seine Steuergroschen bezahlt. Die anderen liefen umsonst.«
    »Meinst du mit ›Pferdchen‹ die Huren?«, fragte Zelda naiv.
    Der Mann lachte scheppernd. »Sag ich doch, aus der Stadt seid Ihr nicht. Wo kommt Ihr denn her? So dumm fragen ansonsten nur die Leute aus der Gegend hinter Inverness. Dort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Seid Ihr von dort?«
    Zelda schüttelte den Kopf. »Ich komme aus den Highlands.«
    »Aha. Und wollt die Liebe kennen lernen, nicht wahr? Ein letztes Mal eine Frau kosten, ehe Ihr Euch mit einer aus dem Wald verheiraten müsst, hä?«
    Zelda schlug mit der Faust leicht auf den Tisch. »Du sagst es, guter Mann. Doch erzähl von der Razzia.«
    Der Mann schaute gespielt ratlos in seinen leeren Krug, und Zelda verstand. Sie rief nach einem der Schankmädchen und bestellte frisches Ale.
    Dann redete der Mann weiter. »Nun, der Blaue Anker ist in ganz England bekannt. Hier bestehen die Männer ihre Feuertaufe. Der Wirt lässt sich’s gut lohnen. Selbst einige der Ratsherren verkehren hier.«
    Zelda sah sich um, aber sie konnte beim besten Willen niemanden erkennen, der einem Ratsherrn auch nur im Entferntesten ähnlich sah.
    »Nicht hier, Mylord. Die feinen Herren nehmen die Hintertreppe. Sie gehen sofort in die Zimmer der Mädchen, damit niemand sie sieht und sich darüber das Maul zerreißen kann. Nun, seit kurzem aber hat die Stadt einen neuen Coroner, einen Polizeichef. Wie sagt man doch gleich: Neue Besen kehren gut. Also wollte der Coroner Schluss machen mit der Unmoral und Sünde in der Stadt. Die Huren sollten aus den Herbergen verschwinden und sich unten am Hafen im Frauenhaus registrieren lassen. Außerdem sollten sie einen gelben Schleier am Hut tragen, damit jeder schon von weitem weiß, mit wem er es zu tun hat. Verheirateten Männern wollte der Coroner gar den Besuch des Frauenhauses verbieten. Aber das konnte er doch nicht machen, nicht mit den Männern aus Dundee! Und nicht mit den schottischen Mädchen! Die Huren blieben, wo sie waren, und um die Anweisungen des Coroners kümmerten sich alle einen Dreck. Nun, in der letzten Woche aber hat der Coroner einige Razzien in den Herbergen veranstaltet. Alle Huren, die er fand, ließ er ins Frauenhaus bringen, und die Wirte sollten so viel Strafe zahlen, dass so mancher von ihnen dabei seine Existenz verloren hätte. Die Huren liefen aus dem Frauenhaus davon und zurück in ihre Herbergen. Diesmal ließ der Coroner sie ins Gefängnis bringen. Hier im Blauen Anker fand er fünf Pferdchen, die nicht gemeldet waren. Im Gefängnis drohte er ihnen mit Folterstrafen. An den Daumen wollte er sie aufhängen, gaben sie ihr Gewerbe nicht auf. Doch wovon sollten sie leben?

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