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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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Zeldas kurviger Körper ohnehin nicht durch die winzige Öffnung passen.
    Was also sollte sie tun? Einen Wachmann niederschlagen, wenn er ihr das Essen brachte, und fliehen?
    Zelda war beileibe keine schwache, zimperliche Frau, doch hatte sie noch niemals einem anderen Menschen Gewalt angetan, und es widerstrebte ihr selbst in dieser Lage, einem Unschuldigen wehzutun. Abgesehen davon waren die Männer gewiss weder so dumm noch so schwach, um sich von ihr so einfach niederschlagen zu lassen. Und zum Dritten gab es hier als Waffe nur die zerschlissene, brüchige Holzschüssel oder den Eimer mit den Exkrementen ihrer Vorgänger.
    Was also kpnnte sie tun? Darauf warten, dass ihr der Zufall zu Hilfe kam?
    Sie ließ sich rückwärts ins Stroh sinken und schloss die Augen, um besser nachdenken zu können, doch keine fünf Minuten später war sie eingeschlafen. Die Anstrengungen und Aufregungen der letzten Tage waren zu mächtig.
    Zelda wusste nicht, wie viele Stunden sie geschlafen hatte, doch als sie erwachte, war durch die winzige Luke kein blauer Himmel mehr zu sehen. Es war Nacht.
    Sie hörte Stimmen, die vom Ende des Ganges, in dem das Verlies lag, zu kommen schienen. Zelda stand auf, ging an das Gitter und versuchte, in den Gang hineinzu-spähen, um den Ort des Lärmes auszumachen. Doch vergeblich. Nicht eine einzige Pechfackel erleuchtete den Gang. Alles lag in tiefster Dunkelheit.
    Sie trat einen Schritt zurück und stieß mit dem Fuß leicht gegen die Holzschüssel. Plötzlich spürte sie, wie hungrig sie war. Seit gestern Abend hatte sie nichts mehr gegessen. In ihrem Magen grummelte es, die Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen. Außerdem hatte sie Durst. Namenlosen Durst. Ihre Kehle brannte, ihre Lippen fühlten sich trocken und rissig an.
    Sie bückte sich und tastete in der Dunkelheit nachder Holzschüssel. Sie war leer. Das hieß, dass niemand ihr bisher etwas zu essen oder zu trinken gebracht hatte.
    Empört stieß Zelda die Luft aus. Sie war noch immer unschuldig, noch immer ohne Urteil. Sie war keine Gefangene, die eine Strafe abzusitzen hatte. Sie hatte ein Recht auf etwas zu essen und zu trinken. Oder hatte der Coroner unterdessen beschlossen, sie in diesem tristen Verlies elendiglich verhungern und verdursten zu lassen?
    »He«, rief sie. »Hört mich hier jemand?«
    Aus einiger Entfernung vernahm sie noch immer die Stimmen zweier Männer.
    »Hallo, he! Ich brauche Wasser und Brot!«
    »Seid ruhig, junger Mann!«
    Die Stimme kam ganz aus der Nähe, und Zelda erkannte sie als die der Wehmutter, die ebenfalls hier im Verlies auf eine Zeugengegenüberstellung wartete.
    »Wenn Ihr schreit, reagieren sie nicht.«
    »Habt Ihr schon Wasser und Brot bekommen?«, fragte Zelda leise.
    »Nein«, erwiderte die Wehfrau. »Aber ich habe gehört, dass sie in der Nacht kommen. Jetzt sitzen sie bei Würfelspiel und Ale und werden ärgerlich, wenn sie dabei gestört werden.«
    »Wie lange spielen sie noch? Ich sterbe fast vor Hunger und Durst.«
    Die alte Frau lachte leise: »Es wird nicht mehr lange dauern. Sie fangen schon an, sich zu streiten. Aber freut Euch nicht zu früh. Meist sind sie so betrunken, dass sie das Wasser unterwegs verschütten oder gar das Brot zu Boden fallen lassen, sodass es sich die Ratten holen, ehe wir auch nur das kleinste Stück davon gekostet haben.«
    »Woher wisst Ihr das alles?«, fragte Zelda.
    Wieder lachte die alte Frau leise: »Ich bin Wehmutter. Alle Frauen meines Berufes schließen früher oder später Bekanntschaft mit einem Verlies oder Kerker.«
    »Wieso das?«, wunderte sich Zelda.
    »Nun, oft wünschen sich die Leute stramme kräftige Jungen, die entweder später mitarbeiten oder wenigstens die Erbfolge antreten können, um den Namen zu wahren. Bringt die Frau aber mehrfach hintereinander nur Töchter zur Welt, die später eine teure Mitgift benötigen, um sie gut verheiraten zu können, so ist es manchem Vater lieber, die Tochter stürbe bei der Geburt. Ich habe schon so manches gesunde Mädchen zur Welt gebracht, das seine erste Nacht nicht überlebt hat. Wehmütter gelten als halbe Hexen. Es ist einfach, sie des Mordes oder der Unachtsamkeit mit Todesfolge zu beschuldigen.
    Manchmal ist es aber auch so, dass Frauen Kinder zur Welt bringen, die nicht gesund sind. Welcher Vater ist schon stolz auf einen Sohn mit einem Wasserkopf, auf eine Tochter mit einer Hasenscharte oder einem Hinkefuß. Auch solche Kinder überleben oftmals die ersten Tage nicht. Die Wehmütter

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