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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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habt Ihr auch nur die Sachen dabei, die Ihr auf dem Leib tragt.«
    »Ach, Kindchen. Ich habe Euch schon erklärt, dass Wehmutter ein gefährlicher Beruf ist. Die meisten von uns haben in einem Loch vor den Stadttoren ein bisschen was vergraben. Wir geraten zu schnell in Not, um ohne Vorsorge zu sein.«
    Die Alte drehte sich um, betrachtete aufmerksam die Bäume, die hier standen, als suchte sie nach einem bestimmten. Dann schien sie gefunden zu haben, was sie suchte. Sie hob einen Finger, sagte laut »Aha«, wandte sich nach links, zählte laut zehn Schritte ab, wandte sich dann nach rechts, zählte noch einmal zehn Schritte ab und legte einen Stein auf diese Stelle. Dann bückte sie sich und wühlte in den Wurzeln eines Baumes, bis sie eine kleine, eiserne Schippe, wie sie die Abortkehrer benutzten, zu Tage förderte.
    Sie nahm die Schippe und fing an zu graben.
    »Gebt Acht, dass niemand kommt«, sagte sie, während die Erdbatzen links und rechts neben ihr aufflogen.
    Zelda schaute sich aufmerksam um und lauschte indie Nacht. Alles war still. Nicht einmal der Wind, der in Schottland fast immer als Brise vom nahen Meer herwehte, säuselte in den Bäumen. Nur aus der Ferne war das Schlagen einer Kirchturmuhr zu hören, die die dritte Stunde des Tages verkündete. Der Mond stand als silberne Scheibe am Himmel und sorgte dafür, dass man trotz der Dunkelheit recht gut sehen konnte.
    Bald hatte die Alte ein in Ölpapier geschlagenes Paket an die Oberfläche befördert. Sie stand auf, schob mit den Füßen die ausgegrabene Erde nachlässig zurück in das Erdloch, dann wickelte sie das Päckchen aus und brachte ein Kleid und eine kleine Schatulle zum Vorschein.
    Sie warf Zelda das Kleid zu. »Da, zieht es an. Und dann lassen wir besser die förmliche Anrede weg. Ich weiß zwar, dass es mir nicht zusteht, eine Lady zu duzen, aber wir würden wohl nicht glaubhaft Mutter und Tochter auf Reisen spielen können, täten wir es nicht. Ihr seid doch eine Lady? «
    Zelda nickte, zog sich Beinkleider, Hemd und Wams aus und schlüpfte in das Kleid, das ihr viel zu weit, an den Armen aber zu kurz war.
    Elizabeth zupfte ein wenig an ihr herum, doch besser wurde es dadurch nicht. »Nun, wir sehen aus, als wären wir arme Leute. Das ist gut so. Dann sieht man schon von weitem, dass es bei uns nichts zu stehlen gibt.«
    Zelda nickte und lächelte Elizabeth dankbar an. »Woher wisst Ihr … nun, woher weißt du, dass ich eine Lady bin?«, fragte sie dann.
    »Das ist nicht schwer zu erraten. Zum einen habe ich dir die Geschichte mit dem gestohlenen Pferd geglaubt. Wer ist schon so dumm und nimmt nur die Satteltaschen, lässt den Gaul aber, wo er ist? Zum anderenhabe ich an deinen Händen erkannt, dass du keine schwere Arbeit verrichten musst. Und dann war da der Abdruck eines Ringes an deinem Finger. Nun, das Privileg, einen solchen Ring zu tragen, haben in Schottland nun einmal nur die Frauen der reichsten Kaufleute und die Adligen. Doch jetzt lass uns ein Stück gehen, ehe wir uns ein Nachtlager für die wenigen Stunden bis zur Morgendämmerung suchen. Vorher nenne mir bitte noch deinen Namen, denn Cedric heißt du ganz sicherlich nicht.«
    »Zelda McLain«, erwiderte Zelda, erschrak im selben Augenblick und fasste nach ihrer Hand. Tatsächlich! Der Ring fehlte! Der Ring, der den Beweis ihrer gräflichen Würde darstellte, war verschwunden!
    Doch jetzt war keine Zeit, um verlorene Dinge zu trauern. Sie musste nach Edinburgh, musste endlich Joan finden und sie sicher zurück nach Hause bringen.
    Sie verließen das Waldstück und kamen bald auf eine Straße, in welche die Karren und Fuhrwerke, die täglich auf dem Weg in die Stadt waren, tiefe Rinnen gefurcht hatten.
    Schweigend machten sie sich auf den Weg. Jede der beiden Frauen schien ihren eigenen Gedanken nachzuhängen und die Erlebnisse des vergangenen Tages zu bedenken.
    Sie waren wohl an die zwei Stunden gelaufen, als sie an einen Weiher gerieten, der nahe neben der Straße lag.
    »Wo ein Weiher ist, ist meist auch eine Hütte für die Fischer«, stellte Elizabeth fest. »Lass uns in diese Hütte gehen und dort ein wenig ausruhen. Es ist unnötig, dass wir unseren Häschern am helllichten Tag über den Weg laufen.«
    Sie fanden eine Hütte, in der schon seit Jahren niemand mehr gewesen sein musste. Die Tür hing lose in den Angeln, die Fensterlöcher waren mit dichten Spinnweben übersät, Unrat lag auf dem Boden.
    Sie stießen den Abfall mit den Füßen zur Seite, dann suchten sie

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