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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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weiterziehen.«
    Elizabeth dankte dem Mann. Schon im nächsten Augenblick ging ein Sturzbach zur Erde nieder und verwandelte binnen kurzem die staubige Straße und den Boden rings um das Gehöft in einen einzigen Morast.
    Das Fuhrwerk sank in den rasch aufgeweichten Boden, und der Mann zog die Plane so gut es ging über die Ladung, dann rief er: »Kommt!«, und rannte zu einer kleinen Hütte, die aus Bruchsteinen gemauert war.
    Drinnen reichte er den beiden Frauen Tücher ausgrobem Leinen, mit denen sie sich Gesicht und Haar trocknen konnten.
    Die beiden sahen sich um. Die Hütte bestand aus einem einzigen Raum. In einer Ecke gab es eine gemauerte Feuerstelle, über der ein blinkender Kessel aus Kupfer hing.
    In einer anderen Ecke lag sauberes Stroh auf dem Boden, dazu eine alte, aber ebenfalls saubere Pferdedecke.
    Der Holztisch war frisch gescheuert, die Bank mit schlichten Schaffellen belegt. Der Boden war aus gestampftem Lehm und mit Binsen bestreut.
    »Ihr wohnt hier?«, fragte Elizabeth und nickte anerkennend.
    »Ja, das tue ich. Die Abdecker und Henker dürfen nicht innerhalb der Stadtmauern oder der Dorfbegrenzung leben. Der nächste Weiler liegt eine halbe Meile von hier entfernt.«
    Elizabeth nickte. »Ist es nicht recht einsam hier draußen?«, fragte sie.
    Der Henker winkte ab. »Man kann auch unter Menschen einsam sein. Das ist noch schlimmer.«
    Er bot den Frauen frisches Quellwasser gegen den Durst an und schnitt mit einem Dolch dicke Scheiben von einem frischen Brotlaib.
    Als das Unwetter vorüber war und die Frauen gerade aufbrechen wollten, klopfte es an die Tür.
    Der Mann öffnete, und davor stand eine Frau in bunten Röcken, die sich ein Tuch kunstvoll um das dunkelhäutige Gesicht geschlungen hatte. An ihren Armen klimperten unzählige Reifen aus einfachem Blech, in den Ohren trug sie große Ringe.
    Der Mann begrüßte die Frau mit großer Freundlichkeitund bat sie in das Innere seiner Hütte: »Esmeralda, wie schön, Euch zu sehen.« Dann machte er die Frau, die eindeutig zum fahrenden Volk gehörte, mit Zelda und Elizabeth bekannt.
    Esmeralda kramte aus einem Beutel mehrere Hände voller Kräuter hervor, nahm sich eine Holzschüssel vom Wandbord und weichte die Kräuter in Wasser ein. Sie bewegte sich mit der Ungezwungenheit derjenigen, die sich hier sehr gut auskannte.
    »Esmeralda ist eine Kräuterkundige. Sie bringt mir Kräuter, mit denen ich mich vom Leichengift säubern kann. Auch auf das Handlesen versteht sie sich«, erklärte der Mann, und Esmeralda nickte und lächelte freundlich.
    »Ja, ich gehöre zu einem Trupp fahrender Gaukler und Händler. Wir ziehen durch die Städtchen und Dörfer der Gegend. Einmal im Laufe jeden Mondes komme ich hierher und besuche meinen Freund, den Henker. Doch heute kann ich nicht lange bleiben. Unsere Truppe will nach Edinburgh. In drei Tagen beginnt dort der Jahrmarkt. Wir hoffen, dort einiges Geld zu verdienen, das wir für den Winter aufsparen können«, erklärte sie.
    Der Henker wandte sich an Elizabeth und Zelda. »Ihr seid auch auf dem Weg nach Edinburgh, nicht wahr? Wie wäre es, wenn Ihr Euch den Fahrenden anschließt? Ihr wäret weniger gefährdet.«
    Er schwieg und musterte Zelda und Elizabeth noch einmal sehr aufmerksam.
    »Könnte sein, dass ich gehört habe, man suche nach einer alten Frau und einem jungen, fast weiblich wirkenden Mann«, brummte er. »In der Dunkelheit wäret Ihr leicht mit diesen zu verwechseln.«
    Elizabeth hielt dem Blick des Mannes stand und nickte ernsthaft. »Da könntet Ihr Recht haben. Auch wir sind schon den Häschern begegnet.« Dann wandte sie sich an Esmeralda: »Hättet Ihr etwas dagegen, wenn wir uns Euch anschließen?«
    Esmeralda antwortete mit der Freundlichkeit und Offenheit einer Frau, die in ihrem Leben schon vielen Menschen unterschiedlichster Art begegnet war und der nichts auf dieser Welt fremd schien. Sie lächelte, breitete die Arme aus und sagte: »Seid uns herzlich willkommen. Doch wisset, wer mit uns reist, wer mit uns isst und das Nachtlager teilt, der muss auch mit uns arbeiten.«
    »Was sollen wir tun?«, fragte Zelda.
    Esmeralda musterte die junge Frau mit derselben Aufmerksamkeit wie vorhin der Mann. »Ihr seid sehr schön«, sagte sie schließlich. »Würdet Ihr mit einer Kappe herumgehen, während wir unsere Darbietungen feilbieten, so wären die Leute, besonders die Männer, sicherlich bereit, ein paar Kupfermünzen zu geben.«
    Der alte Mann mischte sich ein: »Ich weiß nicht, ob es

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