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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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waren aufgebrochen, um der Straße in Richtung Edinburgh zu folgen.
    Auf ihrem Weg freuten sie sich an der Schönheit der schottischen Landschaft. An die Hänge der begrüntenHügel schmiegten sich kleine Dörfer, die Weiden waren fett, das Vieh stand gut im Futter. Es roch nach frischem Gras, nach Erde und – ja, einfach nach Heimat.
    Als die Sonne gegen Mittag ihren höchsten Stand erreicht hatte, war die Hitze so drückend geworden, dass Elizabeth und Zelda jeder Schritt schwer fiel. Ihre Hände und Füße waren geschwollen, der Durst klebte in ihren Kehlen, die Kleidung war staubig, das Haar fing in schweißfeuchten Strähnen um ihre Köpfe.
    Hatten sie zu Beginn ihres Weges noch gehofft, ein Fuhrwerk zu treffen, das sie ein Stück mitnehmen konnte, so sahen sie jetzt ein, dass diese Hoffnung vergebens war. Nur Reiter kreuzten ihren Weg, Wanderburschen und ein paar Bauern, die jedoch nur kurze Wegstrecken zurücklegten und keinerlei Interesse daran hatten, die beiden Frauen mitzunehmen.
    Erschöpft ließ sich Zelda unter einen Baum am Wegrand fallen. Sie lehnte sich mit dem Rücken an den kühlen Stamm, schloss die Augen und fragte Elizabeth, die neben ihr wie ein reifer Apfel zu Boden geplumpst war: »Wie weit ist es denn noch bis Edinburgh?«
    Elizabeth überlegte einen Moment, bevor sie antwortete: »Vier Tagesmärsche, wenn wir straff gehen und nur wenige Pausen machen. Finden wir allerdings jemanden, der uns mitnimmt, so könnten wir bereits morgen in Edinburgh sein.«
    Ohne große Hoffnung öffnete Zelda die Augen und blickte zur Straße, in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Plötzlich meinte sie ein Geräusch wie von einem Fuhrwerk zu hören. Und tatsächlich: Hinter einer Wegbiegung tauchte eines auf!
    Sofort rappelte Zelda sich auf, wartete am Wegrandund winkte dem Mann, der das Fuhrwerk lenkte, das von zwei Pferden gezogen wurde.
    »He, guter Mann!«, rief sie, als das Fuhrwerk an ihr vorbeirumpelte. »Wartet einen Augenblick. Wir möchten nach Edinburgh und wollten fragen, ob Ihr uns nicht ein Stück des Weges mitnehmen könntet.«
    Der Mann zügelte die Pferde, das Fuhrwerk kam zum Stehen.
    »An mir soll es nicht liegen«, sagte er, und seine helle, beinahe piepsige Stimme stand in starkem Kontrast zu seinem wettergegerbten Gesicht und den breiten Schultern, die den Anschein erweckten, der Mann könne gut einen Kampf mit einem Ochsen aufnehmen.
    »Steigt auf, wenn Ihr Euch traut.«
    Er grinste und sah die beiden Frauen ein wenig spöttisch an.
    Elizabeth und Zelda schnappten sich ihre kargen Bündel und kletterten auf das Fuhrwerk.
    Es war voll geladen und von Myriaden von Fliegen umschwirrt, doch die Ladung selbst verbarg sich unter einer Plane.
    »Was transportiert Ihr da?«, wollte Zelda wissen, doch der Mann lachte nur meckernd.
    »Wirst es noch früh genug merken und anfangen zu schreien«, sagte er, knallte mit der Peitsche, und das Fuhrwerk setzte sich in Bewegung.
    Elizabeth und Zelda suchten sich einen Platz auf einem kleinen Stück der Ladefläche, das frei und nicht von der Plane bedeckt war.
    Mit beiden Händen verscheuchten sie die Fliegen, die wirklich überaus lästig waren, aber es war immer noch besser, als weiterhin zu Fuß zu gehen.
    Sie waren noch nicht weit gefahren und der Baum,unter dem sie Rast gemacht hatten, gerade erst hinter einer Wegbiegung verschwunden, als das Fuhrwerk in ein Schlagloch geriet und ein wenig schwankte, sodass die Ladung verrutschte und gegen Zeldas Arm stieß.
    Sie stieß einen Schrei aus, der so ohrenbetäubend war, dass die Pferde zu scheuen begannen, sich aufbäumten und die Ladung dadurch noch mehr ins Wanken brachten.
    Auch Elizabeth hatte die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen, doch ihr Schrei blieb in der Kehle stecken.
    Unter der Plane verbargen sich Kadaver: rote Hunde mit verdrehten Gliedern, Katzen mit gebrochenem Genick, Hühner, den man die Köpfe abgeschlagen hatte, unzählige Ratten und sogar zwei Leichen, die von einem Galgen abgenommen worden waren und den Strick noch um den Hals trugen.
    Zeldas Schrei verklang, doch das Echo hallte nach, auch in den Seelen der Frauen. Der Mann lachte.
    »Hab ich nicht gesagt, Ihr werdet schreien? Und nun? Wollt Ihr absteigen? Gehört auch Ihr zu den abergläubischen Weibsbildern, die denken, wenn einer mit einem Toten in Berührung kommt, dann gehen alle Eigenschaften des Toten auf ihn über?«
    Wieder lachte er keckernd.
    Zelda schluckte. Sie brachte vor Entsetzen kein Wort hervor. Ja, sie

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