Ufer des Verlangens (German Edition)
geteilt, was Ihr besitzt. Ich kann Euch gar nicht genug dafür danken. Menschen wie Euch gibt es nicht oft. Ich wäre froh und glücklich, hätte ich eine Freundin wie Euch.«
Elizabeth lächelte. »Auch Ihr seid mir von Herzen sympathisch, Lady Dalrumple, und auch ich würde mich glücklich schätzen, mit Euch befreundet zu sein.«
Die beiden Frauen lächelten sich an, dann reichten sie einander die Hand und kamen überein, sich in Zukunft zu duzen, genau, wie es unter Freundinnen üblich ist.
Doch dann drängte Zelda, die ihrer Freundin und ihrer Tante mit leiser Rührung zugesehen hatte, zum Aufbruch. Sie wollte jetzt so schnell wie möglich zum Hafenmeister und endlich erfahren, welche Passagiere auf den Listen standen.
Laetitia Dalrumple hielt Zelda zurück: »Ich halte es für besser, wenn du wartest, bis mein Mann von seinen Geschäften im Rathaus zurückgekehrt ist. Er verfügt über viel Einfluss, und ich glaube nicht, dass der Hafenmeister es wagen würde, dem Ratsherrn Dalrumple den Wunsch zu verweigern, Einblick in die Passagierlisten zu nehmen.«
Zelda, die ihren Onkel erst ein einziges Mal gesehen hatte, winkte ab. »Versteh bitte, Tante Laetitia, dass esmich drängt, zum Hafen zu gehen. Ich weiß sehr gut, dass Onkel William sehr beschäftigt ist und nicht gerade darauf wartet, seine angeheirateten Nichten vor Unheil zu bewahren.«
Laetitia lachte. »Vielleicht hast du Recht. Versuche es selbst, und wenn du keinen Erfolg haben solltest, so kann Lord William Dalrumple noch immer in den Lauf der Dinge eingreifen.«
13. Kapitel
Die Dämmerung war bereits hereingebrochen, als sich Zelda gemeinsam mit Elizabeth erneut zum Hafen begab.
Sie eilten durch die engen Gassen der Handwerker, die gerade dabei waren, ihre Auslagen aus den offenen Fenstern zu räumen und die Läden zu schließen.
Aus den geöffneten Haustüren drangen verschiedene Essensgerüche. Während es in der Royal Mile nach gebratenem Fleisch roch, herrschte in den Gassen der Handwerker der Geruch nach Kohlsuppe oder Hafergrütze vor.
Die Fischbratküchen, die sich in der Nähe des Hafens befanden, schlossen ebenfalls gerade, doch der Geruch nach ranzigem Fett und Fisch hing wie eine Glocke über der Gegend.
Auch der Hafen lag verlassen da. Die angetäuten Schiffe wiegten sich majestätisch auf den leisen Wellen. Ein paar Arbeiter standen mit nacktem Oberkörper am Kai und unterhielten sich. Andere machten sich auf den Weg in das nächste Pub, um ihren Schlummertrunk zu nehmen, ehe sie heim in ihre kümmerlichen Behausungen gingen.
Zielstrebig eilte Zelda, gefolgt von Elizabeth, zum Kontor des Hafenmeisters, klopfte energisch an die Tür und trat schwungvoll ein. Der Hafenmeister saß hinter seinem großen Schreibtisch aus einfachem Holz. Er hatte das Kontorbuch aufgeschlagen, und Schreibfeder, Tinte und Löschsand lagen in Bereitschaft.
Als er die junge Frau sah, stand er auf und kam höflich hinter seinem Tisch hervor. Es war eindeutig, dasser in Zelda nicht die abgerissene Gestalt vom Vormittag wieder erkannte.
»Was kann ich für Euch tun, Mylady?«, fragte er beflissen.
Zelda reckte das Kinn und richtete sich kerzengerade auf.
»Ich bin die Nichte des Ratsherrn Lord William Dal-rumple«, sagte sie hoheitsvoll, »und gekommen, um Einblick in die Passagierlisten des letzten Schiffs nach Frankreich zu nehmen. Ich wünsche in Erfahrung zu bringen, wer mit dem nächsten Schiff auf den Kontinent reisen wird.«
Der Hafenmeister kratzte sich am Kinn. »Merkwürdig«, sagte er. »Ihr seid schon die zweite Frau, die heute danach fragt.«
Ohne dass der Hafenmeister noch etwas sagen musste, griff Zelda in ihren kleinen Lederbeutel, den Laetitia Dalrumple gut gefüllt hatte, und legte einige Golddukaten auf den Tisch.
»Dies ist für Eure Mühe«, sagte sie.
»Aber nicht doch«, zierte sich der Hafenmeister. »Ich bin Euch stets zu Diensten. Es ist mir eine Freude, Euch behilflich sein zu können.«
Zelda wechselte einen Blick mit Elizabeth, in deren Augen der Spott glomm.
Der Hafenmeister nahm unterdessen das große Kontorbuch, bat Zelda und Elizabeth, auf einer kleinen Wandbank Platz zu nehmen, und reichte es ihnen.
Sogleich beugten sich die beiden Frauen darüber und lasen Zeile für Zeile die Eintragungen.
Mit jeder neuen Zeile wurde Zelda niedergeschlagener.
»Ich kann Joans Namen nicht finden«, klagte sie.
»Warte ab, noch sind wir nicht fertig«, tröstete Elizabeth, doch als sie am Ende der Listen angekommen waren,
Weitere Kostenlose Bücher