Ufer des Verlangens (German Edition)
Arm, aber daraufhin weinte sie noch mehr. Schließlich traten die Männer einen Schritt zur Seite,und der fremde Geselle holte eine Geldkatze aus einer Art Satteltasche hervor und übergab sie an Ian Laverty. Dann reichten sich die beiden Männer die Hand, als hätten sie gerade ein Geschäft besiegelt. Der Fremde nahm die Frau am Arm und zog sie mit sich. Laverty sah ihnen nach, dann wurde er von zwei Hafenarbeitern angesprochen und gingen mit ihnen in die entgegengesetzte Richtung davon. Er ist übrigens beinahe jeden Abend am Kai zu finden. Und fast immer bespricht er sich mit den Arbeitern vom Hafen.«
Wie betäubt stand Zelda auf, dankte dem Hafenmeister und verließ das Kontor. Elizabeth folgte ihr.
Als sie so weit vom Kontor entfernt waren, dass der neugierige Hafenmeister beim besten Willen nicht verstehen konnte, was die beiden Frauen sprachen, blieb Zelda stehen und sagte zu Elizabeth: »Es ist schlimmer, als ich befürchtet habe. Ian Laverty ist kein Ehrenmann, und er ist auch nicht der Geliebte Joans, für den sie die Heimat verlassen hat, um mit ihm in Frankreich leben zu können. Du hast mit eigenen Ohren gehört, was der Hafenmeister gesagt hat. Es kann nicht anders sein: Ian Laverty hat meine kleine Schwester Joan an einen geheimnisvollen Fremden verkauft. Er ist ein Mädchenräuber, ein Entführer, ein skrupelloser Verbrecher.«
Die letzten Worte schrie Zelda beinahe heraus.
Elizabeth legten einen Finger auf ihren Mund, die andere Hand auf Zeldas Arm, »Pst«, flüsterte sie. »Hör auf zu schreien, sonst hört uns am Ende noch jemand. Lass uns lieber überlegen, was zu tun ist. Wir haben schließlich nicht nur schlechte Nachrichten bekommen. Joan ist in der Stadt, und wir müssen nichts anderes tun, als sie zu finden.«
»Aber wie? Und vor allem: Wo sollen wir sie suchen?Sollen wir alle Gasthäuser und Herbergen in Edinburgh absuchen? Noch bevor wir mit der Hälfte davon fertig sind, ist Joan längst mit dem Fremden über alle Meere.«
»Nein, das wäre der falsche Weg.« Elizabeth schüttelte den Kopf. »Es gibt eine einfachere Lösung. Wir müssen Ian Laverty finden. Nur er kann uns sagen, wo Joan steckt und was der Fremde mit ihr im Schilde führt.«
Zelda sah sich um und breitete die Arme aus. »Aber wo wollen wir Laverty suchen? Es gibt unzählige Pubs in der Nähe des Hafens. Überdies ist uns der Zutritt zu den Gasthäusern ohne männliche Begleitung verboten, ganz zu schweigen davon, dass sich solch ein Verhalten für eine Lady unmöglich schickt.«
Elizabeth lachte trotz des Ernstes der Lage laut auf. »Seit wann kümmerst du dich darum, was sich schickt und was nicht? Wir sollten bedenken, ob es nicht besser wäre, deinen Onkel um Hilfe zu bitten.«
»Um Gottes willen.«
Zelda riss erschrocken die Augen auf. »Nein, das können wir unmöglich tun. Du hast selbst gehört, mit welchem Gesindel sich Laverty hier im Hafen herumtreibt. Hafenarbeiter und Matrosen sind berüchtigt für ihren schlechten Lebenswandel. Die meisten von ihnen sind übel beleumundet. Ich kann Laetitia und William, die noch nicht allzu lange in dieser Stadt leben, nicht zumuten, mit einem Verbrecher, wie Ian Laverty einer ist, in Verbindung gebracht zu werden.«
»Nun«, erwiderte Elizabeth. »Dann bleibt uns nur noch eine Möglichkeit. Wir müssen morgen Abend wieder zum Hafen kommen und auf Laverty warten. Vielleicht haben wir Glück. Es ist unsere einzige Möglichkeit herauszufinden, wo Joan sich aufhält.«
Obwohl Laetitia Dalrumple mehrmals nachfragte, was sich am Hafen ergeben habe, erhielt sie nur vage Auskünfte von Zelda und Elizabeth.
»Joan ist noch in der Stadt«, war alles, was ihre Nichte von ihrem Besuch beim Hafenmeister zu berichten hatte. »Vielleicht gelingt es uns, morgen einen Mann zu treffen, der sich oft im Hafen aufhält und möglicherweise weiß, wo Joan sich befindet.«
Laetitia sah ihre Nichte aufmerksam an, entdeckte die unterdrückte Wut und die Traurigkeit in ihren Augen und verzichtete darauf, weitere Fragen zu stellen.
Lady Dalrumple war eine kluge, lebenserfahrene Frau. Sie wusste, dass in Zeldas Herzen eine Narbe aufgebrochen war, und sie hatte nicht vor, weiteres Salz in diese Wunde zu streuen.
Stattdessen plauderte sie mit den beiden Frauen über Belanglosigkeiten, erzählte von ihrem Leben in der Stadt und schlug Elizabeth vor, sie am nächsten Morgen auf den Markt zu begleiten.
Sie genoss Elizabeths Anwesenheit sehr und hatte schnell Vertrauen zu der erfahrenen Frau
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