Ufer des Verlangens (German Edition)
gesprochen?«
Zelda senkte erneut den Blick und schluckte. Mit sehr leiser Stimme fuhr sie fort: »Er hat mir Komplimente für mein Aussehen gemacht. Seine Augen blickten dabei offen in meine.«
»Und wie hast du dich dabei gefühlt?«
Zelda zuckte mit den Achseln. »Seit der Nacht mit Banda fühle ich mich beschmutzt und hässlich. Doch lans Worte legten sich wie Balsam auf meine Seele. Ich habe ihm glauben können, Elizabeth. Verstehst du? Und gleichzeitig hatte ich ein wenig Angst vor ihm.«
Elizabeth lachte leise. »Ja, du liebst ihn, Zelda. Und es wird Zeit, dass du es dir eingestehst. Er macht dir Angst. Gut. Aber das kann er nur, weil er dir so viel bedeutet. Wäre er dir gleichgültig, hättest du keine Angst. Und im Übrigen hast du keine Angst vor Ian, sondern vor der Macht deiner Gefühle.«
Sie hielt einen Moment inne und strich Zelda wie einem Kind über das Haar. »Du denkst noch oft an die Nacht beim Zigeunerlager, nicht wahr? «
Zelda antwortete nicht und wich sogar Elizabeths Blick aus.
»Es war schrecklich«, flüsterte sie. »Ich sehe mich seither mit anderen Augen. Immer öfter kommt mir der Gedanke, dass ich wohl selbst Schuld daran trage, was mir geschehen ist. Vielleicht habe ich Banda mit meinen Blicken ermutigt. Vielleicht trug ich das falsche Kleid, vielleicht habe ich zu laut gelacht. Vielleicht geschah mir dies aber auch nur, weil ich des Nachts allein im Wald gewesen bin. Es ziemt sich nicht für eine junge Frau. Die Strafe folgte auf dem Fuß.«
Erschrocken griff Elizabeth nach Zeldas Hand. »Um Gottes willen, Mädchen, was denkst du da? Du trägst keine Schuld. Nicht im Geringsten. Banda hat einen Übergriff gewagt. Er allein ist schuldig. Und ich hoffe und wünsche, dass du sehr bald schon begreifst, dass du nicht weniger schön und nicht weniger liebenswert bist als vor jener Nacht.«
»Ich glaube nicht, dass es jemals wieder so sein wird wie vorher«, flüsterte Zelda, und Elizabeth sah, wie ihre Unterlippe zitterte.
»Hab keine Angst, Kind. Die Liebe wird dich heilen. Eines Tages wird ein Mann dir Dinge sagen, die Bandas Worte und Handlungen vergessen machen. Nur die Liebe hat diese Macht. Nichts sonst. Sie ist die Essenz unseres Lebens.«
Zelda nickte. »Ja, so ist es wohl. Die Liebe ist eine Macht, die sich nicht beherrschen lässt.«
Elizabeth schien es nun an der Zeit, das Thema zu wechseln, um Zelda auf andere Gedanken zu bringen.
»Hast du etwas über Joan erfahren können?«, fragte sie.
Zelda schüttelte den Kopf. »Ich befürchte jedoch das Schlimmste. Als wir in der Gasse standen, kam eine Gruppe von Seeleuten vorüber. Sie grüßten Ian Laver-ty beinahe mit Ehrfurcht. Oh, Elizabeth, ich werde noch verrückt. Der Mann, den ich liebe, ist allem Anschein nach der gefürchtete Anführer einer Bande von Mädchenräubern, dem selbst die erfahrensten Seebären mit Respekt begegnen.«
Jetzt seufzte auch Elizabeth. »Ich fürchte, es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als Augen und Ohren offen zu halten. Schlimmstenfalls werden wir beim Auslaufen des nächsten Schiffes nach Frankreich am Hafen sein und Joan, wenn es sein muss, mit Gewalt aus den Händen ihrer Räuber befreien.«
»Wie mag es ihr wohl gehen?«, fragte Zelda. »Ist sie allein? Fürchtet sie sich? Hat sie Heimweh? Ist der Mann freundlich zu ihr? Oh, wenn ich nur daran denke, was er ihr alles antun könnte, so habe ich keine ruhige Minute mehr.«
»Alles wird sich finden. Wir werden beten, Zelda. Das ist das Einzige, das wir tun können.«
Zelda befolgte Elizabeths Rat. Gleich nach dem Frühstück machte sie sich auf in die Kathedrale von Edinburgh zur Morgenmesse.
Als sie das Gebäude betrat, fand sie kaum noch Platz in den Reihen. Beinahe jeder Sitz war besetzt.
Zelda sah Fischersfrauen, Alte und Arme in den letzten Reihen, brave Handwerksfrauen und Krämerinnen in der Mitte. In den vorderen Bankreihen hatten dagegen die Frauen der Ratsherren und reichen Handelsleute Platz genommen. Ganz vorn aber, in den ersten beiden Reihen, waren die Plätze der Adligen.
Zelda überlegte einen Augenblick, ob sie die Bank mit dem Namensschild der Dalrumples suchen und sich dorthin setzen sollte, doch dann entschied sie sich anders und zwängte sich in die Mitte zu den Bürgerinnen.
Es wunderte sie nicht, dass die meisten Besucher dieses Gottesdienstes Frauen waren. Nicht nur in Edinburgh war es üblich, dass die Aufgabe, den Herrn zu loben und zu preisen, meist der Hausfrau zufiel, während die Männer
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