Ufer des Verlangens (German Edition)
ihm die Tür vor der Nase und wollten ihm gar nichts geben. Das war ein schwerer Schlag für den armen Robin, denn er war als Edelmann erzogen worden, hatte kein Handwerk gelernt und war nicht imstande, sich seinen Unterhalt zu verdienen. Wie einen Hund jagte man ihn vom Gut, doch vor dem Tor traf er Little John, der auf ihn gewartet hatte. Sie entschlossen sich, ihr Glück gemeinsam zu suchen, und kamen überein, in den Sherwood Forrest zu gehen und dort von dem zu leben, was sie sich mit ihren Bogen beschaffen konnten. Da sie geschickt waren, erbeuteten sie oft mehr, als sie selbst verzehren mochten, und gaben den Armen und Kranken, den Bettlern und Hilfsbedürftigen ab, was immer sie entbehren konnten. Bald schon sprach man in der Gegend des Sherwood Forrest von nichts anderem mehr, und der neu erworbene Ruhm Robin Hoods zog eine Anzahl junger Männer an, die sich ihm und Little John anschlossen.
Doch nicht alles, was es überreich im Wald und am gedeckten Tisch von Mutter Natur gab, reichte aus, umden Armen, Kranken und Hilfsbedürftigen zu geben, was sie am Nötigsten brauchten. Viele von ihnen waren krank, brauchten einen Arzt, Medizin, warme Kleidung im Winter, Stroh, um die Dächer der Katen zu decken, oder ein wenig Saatgut, um Vorsorge für die nächste Ernte zu treffen.
Die Leute um Robin Hood brauchten Geld.
Und da es Mönche waren, die Robin um seinen Besitz gebracht hatten, forderte er von jedem Geistlichen, der des Weges kam, eine Abgabe.
Eines Tages traf er am Rande des Waldes zwei wohl berittene, dickbäuchige Priester, denen man das gute Leben schon von weitem ansah. Robin selbst brauchte ein Pferd und beschloss beim Anblick der fetten, feisten Geistlichen, denen die Nächstenliebe fern wie der Mond war, sie zu berauben. Er packte die Zügel ihrer ebenfalls wohlgenährten Pferde und befahl den Männern abzusteigen. Aber der eine hieb wild mit dem Peitschengriff nach Robin und traf ihn schmerzhaft an der Schulter. Robin fing den nächsten Schlag mit seinem Stock auf und brachte den Priester rasch zu Boden.
Als sich die beiden Geistlichen schließlich mehreren Männern gegenübersahen, baten sie um Gnade, bestritten aber, dass sie Geld bei sich trügen. Robin Hood glaubte ihnen nicht und befahl ihnen, sogleich auf die Knie zu fallen und um die Summe zu beten, die er verlangte. Vor lauter Furcht weigerten sie sich nicht, seinem Befehl nachzukommen. Und als sie gebetet hatten und noch kein Geld zum Vorschein gekommen war, durchsuchte Robin Hood die beiden und fand in ihren Taschen fünfzig Goldstücke. Er nahm das Geld, verteilte es an die Armen und Kranken und vergaß auch die Witwen und Waisen nicht.
Zelda lächelte, als ihr Margarets Erzählungen über Robin Hood einfielen. Als Kind war sie eine begeisterte Anhängerin des Herrschers über den Sherwood Forrest gewesen, und als Mädchen hatte sie sich gewünscht, einmal ebenso stark und mutig, so unerschrocken und gut zu sein wie Robin Hood. Und noch etwas später hatte sie sogar davon geträumt, ihn zum Manne zu nehmen.
Wäre Ian Laverty ein neuer Robin Hood vom Edinburgher Hafen, sie, Zelda, könnte sich gut vorstellen, mit ihm für den Rest ihres Lebens in einem dunklen Wald zu wohnen. Ein Ian, dessen Verbrechen allein darin bestand, dass er den Reichen nahm und den Armen und Bedürftigen gab, erschien ihr nicht unedler als der Edelste unter den Edelmännern. Doch wie passte die Mädchenräuberei zu diesem Rächer der Armen und Schwachen?
Nein! Zelda schüttelte den Kopf. Ian Laverty war wohl doch kein Held, sondern einfach ein Halunke, dem die beiden braven Bürgersfrauen aus reinem Unwissen Respekt entgegenbrachten.
15. Kapitel
Als der Gottesdienst vorüber war, schlenderte Zelda durch die Gassen der Stadt. Sie lief langsam, blieb häufig an den Auslagen in den geöffneten Fenstern der Handwerker stehen, befühlte Stoffe, betrachtete Kämme und Spitzen. Sie wirkte wie eine junge Frau, die viel Zeit hat und mit sich und der Welt im Reinen ist, einzig bestrebt, sich mit den schönen Dingen des Lebens zu beschäftigen. Doch dieser Schein trog.
Zelda war angespannt bis in die Zehenspitzen. Ihre Gedanken flogen wie Möwenschwärme durch ihren Kopf.
Wie kann ich Joan finden?
Einzig um diese Frage drehte sich ihr Denken. Zelda hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie mit ihrer Suche beginnen sollte. Und sie war sich sicher, dass Ian Laver-ty ihr nicht den kleinsten Hinweis geben würde.
Gestern hatte er gesagt, in vier Tagen wolle er ihr
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