Ufer von Morgen
vergeben! Sie Idiot, Sie plappernder Dinosaurier –«
Einen Augenblick später zerrte ihm Chambers ins Bad und schüttete ihm kaltes Wasser ins Gesicht. Wilson bemühte sich, vernünftig zu denken. Er wußte unbestimmt, daß jetzt alles zu Ende war, daß er viel zu weit gegangen war. Wenn er bei Bewußtsein bliebe, müßte er sich der ganzen, riesigen Schuld stellen. Er wählte den einfachen Weg und wurde ohnmächtig.
Die Kopfschmerzen am nächsten Tag waren unerträglich. Er konnte gar nicht daran denken, zur Arbeit zu gehen. Er blieb in der Wohnung und hätte am liebsten die Zeit zurückgedreht, um den Schaden wiedergutzumachen.
Um halb zwei kam Paul Chambers vorbei. Wilson sagte Sorine, sie solle ihn nicht hereinlassen. Ihr ärgerlicher Blick ließ ihn jedoch umdenken, und er kam zögernd herbei, um guten Tag zu sagen.
»Hallo, Paul, willst du mir klagen helfen?«
»Du bist gestern Nacht wirklich ins Fettnäpfchen getreten, was?« sagte Chambers mit einem traurigen Lächeln. »Wenn du nur nach drei Gläsern aufgehört hättest…«
»Wenn. Habe ich aber nicht. Was hat Griggs gesagt, als ich umgefallen war?«
»Er war natürlich zuerst einmal wütend. Als du gegangen warst, beruhigte er sich ein wenig, und als er ging, war er nur noch verärgert.«
»Ich nehme an, er will mich nie wieder in seiner Nähe sehen?«
Chambers hob die Hände. »Selbst ein Lehrbeauftragter hat eine gewisse Amtszeit, Howard. Ohne Einwilligung des Kuratoriums kann er dich nicht hinauswerfen, und so weit wird er nicht gehen. Er ist nicht nachtragend.«
»Vielleicht nicht. Er wird mich jedoch nicht weiter befördern, bis meine Zeit um ist. Und wenn ich in den nächsten drei Jahren nicht befördert werde, kann ich entlassen werden. Und du weißt so gut wie ich, Paul, daß mich Griggs jetzt nicht befördern wird.« Er wußte, er hatte alles sich selbst zuzuschreiben. Selbstmitleid war sinnlos.
»Howard –«
»Was?«
»Wieso hast du mir nicht erzählt, daß du deine Beihilfe nicht mehr bekommst?«
»Ich brauchte keine Schulter zum Ausweinen. Wie hast du es herausbekommen?«
»Das ist egal. Man hat auch ein paar Artikel von dir abgelehnt. Du bist die letzten Wochen unter beträchtlichem Streß gestanden. Deshalb bist du gestern nacht explodiert. Ich kann das verstehen, Griggs wahrscheinlich nicht. Aber jetzt bist du in der Klemme. Ich wollte dir nur sagen, wenn ich dir irgendwie helfen kann –«
»Danke, Paul. Die Antwort ist nein.«
»Es hat jetzt keinen Sinn, starrköpfig zu sein –«
»Doch. Ich habe meine Beihilfe verloren, meine Doktorarbeit zerbricht mir unter den Fingern, meine Artikel kommen zurück, und jetzt habe ich meinen Arbeitsplatz verspielt. Ich war vom Wohlwollen anderer Menschen abhängig, von Beihilfen, Empfehlungsschreiben. Jetzt bin ich auf mich selbst zurückgeworfen. Jetzt ist es an der Zeit herauszufinden, ob ich wirklich etwas auf dem Kasten habe oder nicht.«
»Ich kann dir nicht folgen«, sagte Chambers.
»Ich werde die Brücken hinter mir verbrennen. Ich höre mit der Arbeit im Lagerhaus auf, laß die Doktorarbeit sausen, geh von der Uni. Es ist besser, als irgendwann von Griggs entlassen zu werden. Ich werde mich hier mit einem Stapel Papier einschließen und ein Buch schreiben.«
»Ein Buch?«
Wilson nickte. »Ich werde zu Papier bringen, was ich von der Welt halte, wie sie funktioniert, und warum, und in welcher Richtung sie sich entwickelt. Es ist mir wurscht, ob es veröffentlicht wird. Aber ich werde es schreiben!«
»Was sagt Sorine dazu?«
»Sie weiß noch nichts davon. Ich habe mich gerade eben entschlossen. Ich glaube, Sorine wird nichts dagegen haben.«
»Glaube ich auch«, nickte Chambers. »Sie ist ein braves Mädchen.«
»Ich verdanke sie dir. Ich verdanke dir sehr viel, Paul. Gut, daß du heute hergekommen bist. Du gibst mir die Kraft weiterzumachen und das zu tun, was ich zu tun habe. Von heute ab werde ich keine Kraft mehr borgen müssen.«
Das Buch hatte keinen Titel, keine Gliederung. Es sollte keine vorfabrizierten Gedanken zum Ausdruck bringen, sondern ihm behilflich sein, neue Gedanken zu formulieren.
Er ging einfach nicht mehr ins Lagerhaus, und nach einer Woche rief jemand von der Buchhaltung an, was mit ihm los sei. Sorine sagte, er habe eine bessere Arbeit gefunden.
Sie hatten ein bißchen Geld auf der Bank, und Sorines Halbtagsstellung als Lehrerin brachte auch ein wenig ein. Wenn man sparsam war, konnte man damit auskommen.
Wilson fing jeden Tag nach dem
Weitere Kostenlose Bücher