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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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antwortete, dass sie sich das Sozialzentrum anschauen wolle, und fragte, was eigentlich mit dem Frauentreff passiert sei, der dort eingerichtet worden sei.
    »Das kann ich dir sagen«, antwortete Puck. »Gar nichts. Die Frauen von den Russlanddeutschen gehen nicht hin, weil da auch die Türkinnen hin dürfen, und die Türkinnen gehen nicht hin, weil es ihnen ihre Macker nicht erlauben, und deswegen ist rein gar nichts, und der Hausmeister hat es den Glatzen angeboten, aber die wollten es nicht, weil es sonst in der Szene heißt, da kommen die Glatzen ausm Frauentreff.«
    »Lustig«, sagte Luzie.
    »Was soll’s«, meinte Puck. »Mich ärgert viel mehr, dass eure Heizkostenabrechnungen zu hoch sind, und eigentlich ist das auch kein Wunder, weil die Armaturen nichts taugen. Du kannst die Heizung nur aufdrehen oder zudrehen, etwas anderes gibt es nicht. Und wenn du sie aufdrehst, hast du sofort volle Power, aber wenn es dir zu warm wird, kannst du nur das Fenster aufmachen, was glaubst du, wie schnell da eure nächste Leiche ausgetrocknet ist.«
    »Das hör ich jetzt zum ersten Mal«, meinte Luzie, »darf ich dir einen Installateur vorbeischicken?«
    »Das ist überall in den Häusern hier so, weil irgendwer an derInstallation hat sparen wollen, als das alles gebaut wurde. Da sind wir schon, willst du mit reinkommen, auf eine Tasse Kaffee?«
    Aber Luzie meinte, sie müsse weiter. Puck stieg aus, Luzie wendete und fuhr zurück, die Straße hinunter. Eine alte Frau kam ihr entgegen, die nach vorne gebeugt eine Handkarre zog. Die Handkarre war mit zwei Kästen Bier und zwei prall gefüllten Einkaufstaschen beladen.
     
    T rinken Sie eine Tasse Tee mit?« Tamar betrachtete den Mann, der ihr auf der anderen Seite des Schreibtisches gegenübersaß. Trainingsanzug, weißliche Altmännerstoppeln im unrasierten Gesicht. Eine Alkoholfahne, versetzt mit dem Geruch von Mentholpastillen, dem unverwechselbaren Kennzeichen der Klemmsäufer. Warum, so hatte sie Orrie gefragt, habt ihr ihn sich nicht umziehen lassen? Er hat nicht gewollt, kam die Antwort.
    »Ich kann Ihnen auch einen Becher Kaffee holen lassen, allerdings nur aus dem Automaten.«
    Dannecker schüttelte den Kopf. »Haben Sie eigentlich noch immer nicht genug?«, fragte er unvermittelt. »Sie haben mich ruiniert, meine Existenz, meine Reputation zerstört, was wollen Sie denn noch? Glauben Sie denn, ich komme jemals wieder auf die Beine, nach dem, was Sie mir angetan haben?«
    »Ist es nicht so«, fragte Tamar mit leiser Stimme, »dass Sie sich das alles selbst angetan haben? Sich und Ihrer Frau, das vor allem.«
    »Ach ja.« Plötzlich zog ein Lächeln über sein Gesicht. »Meine Frau, natürlich. Das rührt Sie. Entschuldigen Sie, ich vergaß, wer Sie sind. Und was Sie sind.«
    Er schien nachzudenken, als suche er nach einer angemessenen Beleidigung, aber offenbar wollte ihm keine einfallen.
    »Schön«, antwortete Tamar, »dass Sie wieder wissen, was Sie zu wissen glauben. Wissen Sie inzwischen auch, wann Sie die Stoßstange an Ihrem Wagen auswechseln lassen mussten?«
    »Stoßstange, jawohl«, echote Dannecker. »Damit haben Sie ja wohl auch Probleme?«
    »Sie und ich«, erwiderte Tamar, »wir beide wären sehr schnell sehr viel weiter, wenn Sie mir sagen würden, wann Sie...«
    Das Telefon schlug an, Tamar meldete sich. Am anderen Ende der Leitung war eine energische Frauenstimme zu hören:
    »Sie wollten mich wegen dieses Klosters Neresheim sprechen? Meine Mutter hat es mir ausgerichtet. Und da ich gleich wieder zu einer Konferenz muss...«
    Die Studiendirektorin. Tamar bedankte sich eilig und bat, das Gespräch auf einen anderen Apparat legen zu dürfen.
    Sie sagte Dannecker, dass er auf sie warten solle, und ging ins Nebenzimmer, wo Wilma Rohm, eine junge Kriminalbeamtin mit einem langen blonden Mädchenzopf, das Gespräch für sie angenommen hatte.
    »Durchaus erinnere ich mich an die Eheleute Dannecker aus Ulm«, sagte die Studiendirektorin. »Das heißt, ich erinnere mich vor allem an Dorothea Dannecker, sie ist ja Richterin, wie Sie sicher wissen. Kennen gelernt habe ich sie in Neresheim, auf den Besinnungstagen, die dort vor ein paar Jahren stattgefunden haben.«
    »Am Jahreswechsel 1998/99?«
    »Kann sein«, kam die Antwort. »Wenn Sie es genau wissen wollen, müssen Sie im Kloster nachfragen, ich war nur einmal dort. Jedenfalls war es zwischen den Jahren. Ich erinnere mich deshalb, weil ich Dorothea Dannecker an einem Neujahrsmorgen näher kennen gelernt

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