Uferwald
behauptet, Sie beide seien im Kloster Neresheim gewesen.«
»Dann stimmt das auch so.«
»Wirklich?«
Er schüttelte den Kopf. »Nächste Frage.«
Tamar lächelte. »Keine nächste Frage.« Es war ein sehr knappes Lächeln. »Ich werde einen Haftbefehl gegen Sie beantragen. Sie waren in der Neujahrsnacht unterwegs.«
»Unsinn.«
»Am Neujahrsmorgen waren Sie nicht mehr in Neresheim. Wir haben eine Zeugin. Eine sehr entschiedene und kompetente Zeugin.«
»Frauen!«
D ie Tür des Geschäftsführers öffnete sich, Luzie sah auf, die Sachbearbeiterin Fudel trat heraus und auf die Köhl-Kunzmann zu und würdigte Luzie keines Blickes.
»Vielen Dank noch«, sagte die Fudel, »und einen schönen Feierabend möchte ich Ihnen auch wünschen!«
»Danke«, antwortete die Köhl-Kunzmann, »aber das dauert noch eine Weile.«
Wahrscheinlich wirft sie jetzt einen Blick auf mich, dachte Luzie, und schrieb entschlossen weiter: ...da die technischen Mängel der Heizkörper offenbar in vielen, wenn nicht den meisten Wohnungen offenkundig sind, empfehle ich eine umfassende Nachrüstung und gleichzeitig eine auch juristische Überprüfung der Frage, ob die Geräte seinerzeit entsprechend der Ausschreibung installiert worden sind...
Wieder öffnete sich die Tür, Luzie hörte die leutselige Stimme des Personalrates: »Wieder alle an der Arbeit, die fleißigen Lieschen... Ach, das sind ja Sie!« Die Stimme wünschte einen angenehmen Abend, die Tür öffnete und schloss sich, es herrschte wieder Stille.
Luzie schrieb weiter. Unvermittelt tauchte auf dem Bildschirm eine Nachricht auf:
Auf Grund einer fehlerhaften Anmeldung wird diese Anwendung geschlossen. Bitte wenden Sie sich an die hausinterne Administration. Danke!
Die Nachricht verschwand wieder, und der Text, den Luzie geschrieben hatte, kippte weg. Luzie sah zu, schweigend. Sie atmete ruhig, und zu ihrer eigenen Verwunderung stellte sie fest, dass sie nicht einmal überrascht war.
Hinter ihrem Rücken klingelte das Telefon, die Köhl-Kunzmann nahm den Hörer ab.
»Ja«, sagte sie, »jetzt ist sie da.«
D annecker betrachtete die Teetasse. »Sie können mir nicht ein Bier bringen lassen? Ich bezahl es auch...«
»Nein.«
»Auch recht.« Er stellte die Teetasse zurück. »Es mag alles so sein, wie Sie es sagen. Aber für das, was meine Frau behauptet hat, bin ich nicht verantwortlich.« Er blickte zu ihr hoch. »Ich war betrunken damals. Hackedicht zu und knülle. Als ich glücklich aus diesem Kloster draußen war, hab ich erst einmal vor lauter Begeisterung ein paar Schluck aus meiner Reiseapotheke genommen.« Er klopfte auf eine imaginäre Jackentasche, als hätte er einen Flachmann darin. »Und dann bin ich nachThalfingen, Solveig hatte ja angerufen, dass ich kommen soll. Dass sie es allein nicht aushält. Dass sie in die Donau geht. Diese Tour, wissen Sie?«
»Und weiter?«
»Das war es«, plötzlich hob sich seine Stimme, »denn irgendwann ist bei mir der Film gerissen, und so bin ich ins neue Jahr gekommen, ich weiß nicht, wie.«
»Und wann haben Sie festgestellt, dass Ihr Auto beschädigt ist?«
»Ich glaube, erst zwei Tage später. Das heißt, ich hab’s ja gar nicht festgestellt. Irgendein Kerl war es. Er hat nicht einmal seinen Namen genannt, aber er hat mich in meiner Wohnung angerufen und gefragt, ob ich mir meinen Daimler schon einmal angeschaut hätte... hat gefragt und gleich wieder aufgelegt. Ich weiß noch, dass ich erst nur den Kopf geschüttelt habe.«
»Aber der Wagen war wirklich beschädigt?«
»Ja, vorne an der Stoßstange, ein wenig eingedrückt, und eine Delle im Blech, ärgerlich ja, aber kein Beinbruch, es sah aus, als hätte ich ein Verkehrszeichen ein bisschen umgefahren. Das konnte überhaupt nicht sein, aber ich hatte ja einen Filmriss.«
»Und wann haben Sie erfahren, dass es kein Verkehrszeichen gewesen war?«
»Als der Kerl wieder angerufen hat. Es war die reine Räuberpistole. Ich hätte einen Radfahrer umgefahren.«
»Nicht irgendeinen Radfahrer«, insistierte Tamar.
»Jetzt fangen Sie auch schon so an! Ja, der Kerl hat gesagt, dass das ein Student gewesen sei, und der Student hätte mir schon einmal Ärger gemacht, und deswegen...« Er betrachtete Tamar, mit einem fast flehentlichen Blick. »Verstehen Sie, ich wusste nicht einmal von einem Unfall, und da behauptete dieser Kerl am Telefon, ich hätte es absichtlich gemacht. Das ist doch absurd, aber was machen Sie, wenn Sie sich überhaupt nicht verteidigen
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