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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Teilnehmer, den Tamar erreichte, war schwerhörig, beim zweiten meldete sich die trauernde Witwe. Danach sprach sie mit einem Ehepaar, das sich aber an Dorothea und Wolfram Dannecker durchaus nicht erinnern konnte – wie kämen wir dazu, und was denken Sie denn, nach bald sieben Jahren! Eine ältere Dame mit brüchiger Stimme meinte, Tamar wolle ganz sicher ihre Tochter sprechen, die käme aber erst nach 12 Uhr aus der Schule, denn sie sei Studiendirektorin, aber die Anruferin solle es bitte nicht vor 14 Uhr noch einmal versuchen, »meine Tochter muss erst ein bisschen abschalten«.
    Gegen 11 Uhr rief Armbruster zurück. »Dannecker hat 1996 einen Daimler-Jahreswagen gekauft, und den hat er noch immer.«
    »Und die Ehefrau?«
    »Fährt einen kleinen Fiat. Sehr preisbewusst. Bei diesem Ehemann ist ihr auch nichts anderes übrig geblieben. Den Fiat hat sie seit 1998.«
    »Wo werden die Fahrzeuge gewartet?«
    »Der Fiat in einer Vertragswerkstatt im Donautal. Bei seinem Mercedes Daimler wirst du dich wundern...«
    Tamar sagte nichts und wartete.
    »...also der Mercedes wird von ihm selbst gewartet. Sagt Dannecker. Angeblich hat er als Student einmal in einer Daimler-Werkstatt gearbeitet. Praktisch, was?«
    Tamar dankte und legte auf. Praktisch, ja. Und doch. Fast zu verlockend. Sie überlegte, holte schließlich das Einwohnermeldebuch heraus und schlug Danneckers private Adresse nach. Und plötzlich musste sie lächeln. Das Ehepaar Dannecker wohnte im Fünf-Bäume-Weg. Das war ein lang gestreckter Straßenzug im Ulmer Westen, eine der besseren Wohngegenden und – das vor allem – in Hanglage oberhalb von Söflingenund des Söflinger Gewerbegebietes. Zur Sicherheit warf sie noch einmal einen Blick in die Kopie von Tilmans Tagebuch.
    Aber es war schon so, wie sie sich erinnert hatte, und so rief sie das Revier an und bat, bei den Eheleuten Dannecker vorzusprechen und sich deren Autos zeigen zu lassen.
    »Wenn es Hinweise auf frühere Beschädigungen oder Ausbesserungen im Frontbereich gibt, also an der Stoßstange, an den Kotflügeln oder an der Motorhaube, muss der Wagen für eine kriminaltechnische Untersuchung sichergestellt werden. Vor allem für den Daimler-Benz gilt das.«
    Sie schaute auf die Uhr. Zeit für die Konferenz.
     
    E ntlang der Rückwand und der einen Seitenwand der Doppelgarage zogen sich Regalbretter hin, mit Werkzeug, Spraydosen, Winterreifen und anderem Zubehör voll gestellt.
    »Sie sind ja ganz gut bestückt«, sagte Orrie. »Ein richtiger Heimwerkermarkt.«
    Wolfram Dannecker, der einen Trainingsanzug trug und unrasiert war, zuckte mit den Schultern.
    »Wären Sie so freundlich«, fragte Heilbronner, »und fahren den Daimler ein Stück auf die Einfahrt hinaus, dass wir ihn uns ansehen können? Hier drinnen ist es zu eng.«
    Er müsse zuerst den Schlüssel holen, antwortete Dannecker. Orrie und Heilbronner wechselten einen Blick, und wie zufällig begleitete Orrie den Rechtsanwalt in den Flur des Wohnhauses.
    »Hören Sie«, sagte Orrie, während er zusah, wie Dannecker in einer Ablage an der Garderobe unter Handschuhen und Schals nach dem Schlüsselbund suchte, »Sie müssen nicht beunruhigt sein, wir wollen nur sichergehen, dass wir eine bestimmte Sache ausschließen können.«
    »Sie brauchen nicht so mit mir zu reden«, sagte Dannecker schroff. Er hatte den Schlüssel gefunden und wollte ihn Orrie geben.
    »Es wäre uns recht, wenn Sie ihn herausfahren«, antwortete der Polizist. »Oder ist Ihnen nicht gut?« Er näherte sich ihm. »Ach so. Sie haben getrunken.« Dann nahm er den Schlüssel. Dannecker folgte ihm in die Garage, Orrie stieg in den Wagen und fuhr ihn ein Stück nach draußen. Dort öffnete er die Motorhaube.
     
    L eider haben die Phantombilder bisher nichts gebracht«, berichtete Markert bekümmert, der Leiter der Sonderkommission Eschental, »kein einziger Hinweis war brauchbar.«
    »Und wie soll es nun weitergehen?«, fragte Englin müde.
    »Wir haben jetzt ja eine Vorstellung von der Herkunft dieser beiden Männer«, antwortete Markert, »und wissen also, dass sie vermutlich aus der früheren Sowjetunion stammen. Deshalb sind wir jetzt gerade dabei, die Tatorte und Fluchtwege bei dem jetzigen und den früheren Überfällen unter diesem Gesichtspunkt abzugleichen.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Englin.
    »Wir wollen herausfinden, ob es ein gemeinsames logistisches Muster bei diesen Überfällen gibt und ob sich dabei ein Hinweis auf einen Siedlungsschwerpunkt für

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