Uferwald

obwohl sie vielleicht schon fünfzigtausend wert sind.«
    »Das ist für dich aber ein Scheißspiel«, bemerkte Wanja.
    »Das ist ganz normales Bankgeschäft«, widersprach Czybilla, »und wenn Sie auf der richtigen Seite sind, dann machen Sie ordentlich Kohle, als Banker ist man meist auf der richtigen Seite, eigentlich immer. Und so ist die Alte an einem schönen Frühlingstag mit dem Geld aus der Aktenmappe vom Bauamtsleiter ins Termingeschäft eingestiegen, hat zwar nichts davon gewusst, aber brav alle Krakel gemacht, und alle beide haben auch richtig Rendite bekommen, nicht zu knapp, dabei wollten sie es gar nicht. Der Amtsleiter hat das Geld gleich wieder mir gegeben, damit ich es weiter für ihn anlege, was hätte er auch sonst damit machen sollen? Das Finanzamt durfte ihm nicht dahinter kommen, und die Ehefrau auch nicht, sonst wäre das gute Geld gleich wieder weg gewesen. Und wer Geld hat, verstehen Sie, der will nur eines: dass es mehr wird. Er muss es gar nicht sehen, und er muss es auch nicht haben. Er muss es nur glauben... Entschuldigung, im Kühlschrank hab ich noch ein paar Flaschen Cola, darf ich mir eine holen?«
    »Ich geh schon«, sagte Brötchen.
    »Ja, und dann hat der Bauamtsleiter einen Bekannten gehabt, und der Bekannte einen guten Freund, und alle sind sie zum Czybilla gekommen und haben ihm das Geld gegeben, von dem kein Finanzamt und keine Ehefrau was wissen sollte, aufgedrängt haben sie es ihm, und ich hab getan und gewühlt, und alles lief gut, und den Krakel von der Alten hatte ich bald selber drauf, das wäre ja zu dumm gewesen, wenn die jeden Tag hätte kommen müssen, sie hatte Arthritis in den Füßen, wissen Sie.«
    Brötchen kam aus der Küche zurück und stellte die Cola auf den Couchtisch. Als sich Czybilla suchend nach einem Flaschenöffner umsah, nahm Brötchen die Flasche, schnippte mit dem Daumen den Verschluss weg und reichte sie ihm.
    »Danke«, sagte Czybilla und trank. »Manchmal«, fuhr er fort, als er die Cola abgesetzt hatte, »manchmal habe ich auch ein bisschen gezockt, mal ein paar Tausender dazu gewonnen, mal ein paar verloren, es kam nicht darauf an... Die Leute wollten ja kein Geld von mir, sie brachten es mir nur, und wenn ich ihnen was von der Rendite erzählte, sagten sie, das sei ja alles ganz wunderbar, und ich sollte es gleich weiter einsetzen – nein, natürlich sagten sie nicht, ich solle es einsetzen. Anlegen sollte ich es... Ganz selten kam es vor, dass einer etwas zurückhaben wollte, aber das hat er dann auch anstandslos bekommen, mit Zins und Zinseszins und ff. Rendite, so viel hatte ich immer in der Hinterhand, nie gab es ein Problem, bis... ja, bis es mit diesen Biotec-Aktien so komisch wurde. Da hätte noch Musik drin sein müssen, aber es passierte nichts, die dümpelten einfach nur so dahin, und das hat mich verwirrt. Krise, Rezession, nennen Sie es, wie Sie wollen, so etwas passiert nicht von einem Tag zum anderen, das kommt ganz allmählich, aber plötzlich war mir klar, da liegt was in der Luft, es wird schwieriger, das Rad zu drehen, immer schwieriger, die internationalen Rahmenbedingungen, der Ölpreis und all das andere Gesülze. Schließlich hat es ein paar heftige Verluste gegeben, übrigens war das noch, bevor die Türme einfielen...«
    »Welche Türme?«, unterbrach ihn Wanja.
    »Die in New York«, sagte Brötchen.
    »Und so bin ich dann dazu übergegangen, mit dem ganzen Zaster gleich ins Casino zu gehen«, fuhr Czybilla fort und lächelte plötzlich. Ja, so war es, sagte das Lächeln, jetzt hab ich endlich Kumpel gefunden, denen ich das erklären kann.
    »Und da hast du dann alles verzockt?«
    »Nein«, wehrte Czybilla ab, »so kann man das nicht sagen. Auch im Casino ist das Risiko beherrschbar. Sie müssen einen kühlen Kopf behalten, und Sie dürfen nie die Übersicht verlieren. Und wenn Sie Ihren angemessenen Gewinn haben, dann müssen Sie damit zufrieden sein...«
    »Und – bist du zufrieden gewesen?«
    »Nun ja«, antwortete Czybilla, »zuletzt nicht so besonders. Ich sagte Ihnen doch, es hat da einen vorübergehenden Liquiditätsengpass gegeben. Das ist auch der Grund, warum ich einen – sagen wir einmal – informellen Überbrückungskredit meines Arbeitgebers in Anspruch genommen habe.«
    »Und die Leute«, fragte Brötchen, »die dir all das Geld gegeben haben – sind die nicht unruhig geworden?«
    Czybilla drehte sich um und sah zu ihm hoch. »Das würden die doch nur, wenn das Finanzamt etwas erfahren würde. Aber