Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
Lederjacke, war nicht ganz billig gewesen, so alt, dass man sie fast schon wieder tragen konnte, samt der Flecken.
    »Noch einmal«, sagte Wanja, »du sagst, das Geld sei nicht da, aber das wissen wir doch auch, wir haben es nämlich gezählt.«
    »Wir hatten einen Fehlbestand von etwa zweihunderttausend in der Kasse«, sagte Czybilla. »Ein vorübergehender Liquiditätsengp ass, verstehen Sie? Und da dachte ich...«
    »Und da dachtest du, du kannst es uns in die Schuhe schieben?«
    Czybilla hob beide Hände, als wollte er sich entschuldigen. »Es hat sich so ergeben.«
    »Also wenn das ein Fehlbestand war, dann waren die zweihunderttausend erst in der Kasse und danach nicht mehr. Richtig?«
    Czybilla nickte.
    »Und wer hat sie herausgenommen?«
    Czybilla überlegte. Er musste Zeit gewinnen. Nachdenklich griff er nach dem Glas, das heißt, er wollte danach greifen, denn es flog ihm aus der Hand und schlug klirrend auf dem Kristallglas des Couchtisches auf. Ein trockener Schlag hatte Czybillas linke Gesichtshälfte getroffen und seinen Kopf aufdie Seite gerissen. Whisky lief über den Tisch und tropfte auf den Buchara.
    Schützend legte Czybilla beide Hände vor den Kopf. »Nicht schlagen«, sagte er, »nicht noch einmal, ich bin krank, man darf mich nicht schlagen, mein Herz ist nicht gesund.«
    »Wer?«
    »Nicht schlagen. Man darf...«
    Eine Hand packte ihn am Kragen und zog ihn hoch. »Wer?«
    »Ich habe es genommen. Nicht auf einmal. Aber ich weiß, es sind ungefähr zweihunderttausend, bitte nicht schlagen.«
    »Lass ihn los.« Die Hand löste sich. Czybilla hielt sich die getroffene Wange.
    »Ihr habt mir das Trommelfell zerschlagen.«
    »Das war nur der Anfang«, antwortete Wanja. »Aber trink erst einen Schluck. Erst mal ohne Eis.« Er hielt ihm die Flasche hin. Czybilla zögerte, dann wollte er danach greifen, wieder traf ihn ein Schlag, diesmal von rechts, und warf ihn gegen die Seitenlehne.
    »Jetzt gefälligst keine Heulerei«, sagte Wanja. »Man darf nicht heulen. Wir ertragen das nicht. Was hast du mit dem Geld gemacht?«
    Czybilla fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Plötzlich war die Hand voll Blut.
    Brötchen beugte sich über ihn und hielt ihm eine angebrochene Packung Papiertaschentücher hin. »Wisch dich ab.« Seine tiefe Stimme klang so ruhig, als mache es für ihn keinen emotionalen Unterschied, ob er jemandem gerade den Schädel einschlug oder dem Mütterchen über die Straße half.
    »Also?« Das war wieder Wanja.
    Czybilla lehnte den Kopf zurück und hielt sich ein Taschentuch vors Gesicht. »Spielbank«, sagte er. »Stuttgart. Lindau. Konstanz.«
     
    U nd was machen wir jetzt?«
    »Du hast nicht zufällig ein Bier im Haus?«
    »Ich guck mal.« Puck schwang sich aus dem Bett. »Und was zu essen? Ein Brot mit irgendwas drauf?«
    Kuttler sagte, dass er außer den Schokoladenkeksen im Eurocity den ganzen Tag noch nichts gegessen habe, und Puck zog sich eine Pyjamajacke an und stand auf und machte Licht, und Kuttler sah, wie sich ihre Figur unter der fast durchsichtigen Jacke abzeichnete, und es gefiel ihm alles sehr.
    »Was dagegen, wenn ich jemanden anrufe?«
    »Mach nur. Aber weck Janina nicht auf.« Sie blieb kurz an der angelehnten Tür zum Kinderzimmer stehen und horchte, aber offenbar schlief ihre Tochter ruhig und fest, und so ging sie weiter in die Küche. Kuttler suchte in seinen Hosen nach seinem Handy, fand es und schaltete es ein. Es war weiter keine Nachricht aufgelaufen, und so rief er das Revier im Neuen Bau an. Aber Leissle und Heilbronner hatten schon Feierabend.
    Schade. Es wäre ihre Chance gewesen. Eine Chance, wie sie nie wieder eine bekommen würden. Er rief sein Telefonverzeichnis auf und fand dort Orries privaten Anschluss.
    Nach dem dritten oder vierten Rufzeichen meldete sich eine Stimme. Sie gehörte Sylvia Leissle und klang so ablehnend, wie eine Stimme nur klingen kann. »Orrie ist unter der Dusche.«
    »So viel schafft der nicht, dass das sein muss«, sagte Kuttler. Durch das Telefon hörte er Schritte, eine Stimme äußerte sich über Ärsche, die einen nicht einmal auf dem Scheißhaus in Ruhe lassen könnten. Schließlich war Orrie am Apparat:
    »Was willst du?«
    »Hast du diese bescheuerte Personenbeschreibung verbrochen, die im Tagblatt stand?«
    »Wär das ein Grund, mich um diese Zeit anzurufen?« »Hast du oder hast du nicht?«
    »Natürlich nicht«, sagte Orrie. »Ich hab euch doch gar nicht richtig gesehen. Wieso auch? Ich wollte nur, dass keiner

Weitere Kostenlose Bücher