Uferwald
sie erst morgen früh sprechen.«
D er da«, sagte Czybilla und kritzelte mühsam einen Namen, »den glaubt ihr nicht, wenn ihr ihn seht. Ein Sach... Sacharbeiter...« Er legte den Kopf schief. »Kann man gut lesen. Sachbearbeiter. Im Schulamt. Hat sich Schwielen in Arsch gesessen. Mittelscheitel. Zuständig für Computer. Welche Schule welche kriegt. Is ja egal. Is ja immer der gleiche Händler, der das Zeug liefert...«
»Wie viel?«, fragte Brötchen.
»Hundertdreißig«, antwortete Czybilla. »Einzahlt fünfundachtzig, will sagen eingezahlt, ist auch egal, Geld ist wie der liebe Gott, den gibt es auch nur, wenn man dran glaubt...«
»Also alles weg?«
»Sicher doch«, sagte Wanja und rülpste.
»Und der weiß nichts davon?«
»Das könnt ich nicht verdingsbums, ehrlich«, antwortete Czybilla, »der Sach... also der hat hunnerdreißich gut, auf fümf’achtzig macht einen Gewinn... egal, schöner Gewinn, das hat er gut gemacht, da hält er sich dran fest, is die Sonne seines Alters, schönes Gefühl, wie? Werd ich ihm doch nicht rauben... seinen Glauben, das reimt sich sogar...«
»Gib mal her«, sagte Brötchen und nahm sich Czybillas Notizblock. Dann schüttelte er den Kopf und reichte den Block Wanja. »Kannst du das lesen?«
»Scheiß drauf«, sagte Wanja und nahm einen Schluck von der Flasche Slivovitz, die er in Czybillas Bar gefunden hatte. »Hat keinen Sinn. Der ist hackedicht zu.«
Er stand schwankend auf, ging um den Couchtisch und setzte sich neben Czybilla. »Hör zu, Kumpel. Du gehst jetzt in die Heia und schläfst deinen Konfirmandenrausch aus, und morgen schreibst du uns brav und leserlich alles auf, was du weißt.« Er griff Czybilla unters Kinn und zog sein Gesicht zu sich heran. »Und glaub bloß nicht, du bist uns los. Wir finden dich. Immer.«
»Aber tu ich doch«, widersprach Czybilla, »ich schreib euch alles auf, alle Namen, das geht schon in Ordnung, glaubt mir.«
»Halt’s Maul«, sagte Brötchen und ging zur Tür. Wanja folgte. Dann drehte er sich noch einmal um. »Wir kommen wieder. Denk dran.«
Czybilla sah ihnen nach. Die Tür fiel zu. Er starrte auf den Tisch vor sich, auf die vollen Aschenbecher und die Flaschen und Gläser, die leer herumstanden oder umgefallen waren. Morgen. Mühsam stand er auf, beinahe wäre er über den Tisch gefallen. Er stolperte zur Badezimmertür, schlug unerwartet einen Haken, öffnete die Tür zu seinem Schlafzimmer und nestelte mit der freien Hand die Krawatte von seinem Hals.
Mit einem Plumps setzte er sich auf das französische Bett, brachte es irgendwie noch fertig, sich die Schuhe von den Füßen zu streifen, und schlief schon, noch bevor sein Kopf das Kissen erreichte.
U nten vor dem Apartmenthaus schloss Wanja die Fahrertür auf. Brötchen stand neben ihm und hielt ihm die Hand hin. »Ich fahre.«
Wanja zuckte die Achseln und ging um den Wagen herum. »Netter Abend«, sagte er, als er sich auf den Beifahrersitz fallen ließ. »Hat richtig was gebracht.«
»Erst mal nicht«, antwortete Brötchen und startete den Wagen. »Die Zweihunderttausend zum Beispiel haben wir nicht.« »Holen wir alles rein.«
»Vielleicht.« Brötchen nahm den Weg durch die Innenstadt. Um diese Zeit fanden Kontrollen eher draußen statt. »Vielleicht auch nicht. Vielleicht hat das Schwätzerchen uns auch nur die Hucke voll gelogen. Und die Zweihunderttausend sind irgendwo gebunkert.«
»Der hatte Schiss. Ganz einfach. Und wenn du so viel Schiss hast, dann denkst du dir nichts mehr aus, dann hast du einfach zuviel...«
»Vielleicht hat er es sich gar nicht ausgedacht«, meinte Brötchen und fuhr vorsichtig in eine Kreuzung ein, deren Ampelnauf Gelb geschaltet waren. »Vielleicht ist alles wahr, und das Geld hat er trotzdem gebunkert.«
Wanja schwieg. Morgen ist auch ein Tag. Das war doch lustig, so zu tun, als ob sie den dicken Banker laufen ließen. Und zack! hätten sie ihn schon wieder. Moment... sie würden nicht bloß so tun. Sie würden ihn wirklich laufen lassen. Sie würden sogar aufpassen, dass ihm nichts passierte. Dass er keinen Scheiß baute. Dass er keinen Ärger bekam mit den Oberbankern. Dass die Leute weiter kamen und brav ihr Geld brachten, immer mehr, und sie, sie würden nie mehr irgendwelche Karren klauen, nie wieder in kleinen Klitschen dumm mit der Kalaschnikow herumfuchteln, ein wärmendes Glücksgefühl stieg in Wanja hoch und vermischte sich mit der Rührung über die Fürsorglichkeit, mit der sie den Dicken betreuen und
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