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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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gerade wieder auf Montage ist, steht sie so vor ihrem Einkaufswagen, als sollte ich nicht sehen, was sie drin hat, aber dass zwei Kästen Bier drin sind und ich weiß nicht wie viele Flaschen Wodka, das sieht eine Blinde mit Sonnenbrille, und jetzt frage ich mich...«
    Sie brach ab und ging zu dem Regal hinter ihr. Nach einigem Suchen fand sie einen Zeitungsausschnitt und kam damit an den Tisch zurück. Ausgeschnitten war der Bericht des »Tagblatts« über den Banküberfall im Eschental.
    »Also, ich weiß nicht, wer so aussehen soll«, sagte sie und deutete auf die beiden Phantomzeichnungen.
    »Keiner der beiden Männer sieht so aus«, erklärte Kuttler, »und die Beschreibungen stimmen auch nicht.«
    »Aber warum sagt das niemand?« Sie sah ihn an, aufrichtig empört. »Oder schreibt es der Zeitung?«
    »Ich hätte es sagen sollen«, antwortete Kuttler.
    »Und warum haben Sie es nicht getan? Ist das ein Trick, damit die sich in Sicherheit wiegen?«
    »Kein Trick.« Plötzlich musste er gähnen. »Erst war ich im Krankenhaus, dann haben mir die Chefs ein Disziplinarverfahren angehängt, und dann hatte ich die Schnauze voll. Wenn ich nämlich im Neuen Bau angerufen und gesagt hätte, das stimmt nicht, was in der Zeitung steht – wissen Sie, was ich dann zu hören bekommen hätte? Interessant, hätte ich zu hören bekommen, und was genau stimmt da nicht, Kollege? Ja so, diese Leute sehen anders aus, sagen Sie, Sie sind ja sehr eifrig dabei, etwas richtig zu stellen und wieder gutzumachen, lieber Kollege, diesen Eindruck dürfen wir doch notieren... So in etwa wäre das gelaufen, und deswegen habe ich mein Maul gehalten. Wenn einer aus dem Spiel ist, dann ist er draußen. Ich hätte es Ihnen gleich sagen sollen, als ich Sie zurückgerufen habe, aber vielleicht tickt mein Kopf nicht mehr richtig.«
    Das sei ihr bisher eigentlich nicht aufgefallen, antwortete Puck. »Aber könnten Sie denn mir sagen, wie die beiden ausgesehen haben? Einfach so, weil ich neugierig bin?«
    Kuttler sah sie nachdenklich an. »Bitte sehr. Nummer eins ist zwischen einsfünfundneunzig und zwei Meter groß, mindestens dreißig Jahre alt, dunkles, kurz geschnittenes Haar, die Nase gerade und kräftig, auffallend kantiges Kinn, eine Narbe von der rechten Augenbraue zum Jochbein, spricht deutsch mit leichtem Akzent, ruhige, tiefe Stimme... kennen Sie ihn?«
    Puck hob abwehrend – oder genauer: abwägend – die Hand. »Reden Sie weiter.«
    »Nummer zwei ist etwa einsfünfundsiebzig groß«, fuhr Kuttler fort, »etwas über siebzig Kilo schwer, ebenfalls um die dreißig, kurzes blondes Haar, hellblaue Augen, Nase aufgeworfen, gespaltenes Kinn, spricht akzentfrei.«
    »Bingo«, sagte Puck. »Sie haben gerade Wanja beschrieben. Mamutschkas Sohn, der immer auf Montage ist. Auch dann, wenn nachts das Licht in seinem Zimmer brennt und Mamutschka die Bierkästen mit der Handkarre holen muss. Und der andere, dieser Tundra-Yeti, ist sein Cousin. Sagt jedenfalls Mamutschka. Der Cousin kommt manchmal zu Besuch.« Sie stand auf, löschte die Tischlampe und ging zum Fenster. »Kommen Sie mal mit.«
    Kuttler stemmte sich hoch. Von den Bogenlampen draußen auf der Straße drang gerade so viel Licht herein, dass er sich im Zimmer bewegen konnte. Er trat neben Puck, plötzlich stand er sehr dicht neben ihr und spürte die Berührung ihrer Hüfte.
    »Sehen Sie«, sagte Puck, »das Haus schräg da drüben... ach Scheiße, jetzt müssen sie mich für eine Wichtigtuerin halten.«
    Kuttler sah zu dem Haus, unten brannte Licht, vermutlich in der Küche. Die beiden Fenster im Obergeschoss waren dunkel. War das jetzt wichtig? Er wandte sich wieder Puck zu. Auf einmal waren ihre Gesichter ganz nah beieinander.
     
    E ntschuldigung«, sagte Wanja und machte eine großzügig einladende Handbewegung, »der Herr saufen seinen Schnaps ja nicht runter wie unsereins.«
    Czybilla hatte gefragt, ob er sich ein Glas und etwas Eis für seinen Whisky holen dürfe, und so stand er auf – erst jetzt merkte er, dass ihm die Knie zitterten – und ging zur Bar. »Für Sie auch?«
    »Zu viel der Mühe«, sagte Wanja. Czybilla lockerte ein paar Eiswürfel aus der Schale, warf sie in ein Whiskyglas und ging damit zur Couch zurück. Brötchen stand noch immer da, an die Wand gelehnt, Czybilla versuchte ein freundliches Lächeln und ließ es gleich wieder bleiben... Se vedeste che figura ... Aber das war nun wirklich übertrieben, dachte er und setzte sich, Wanja gegenüber, komische

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