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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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einmal die Spurensicherung vorgenommen. Also könnte ich nachher Janina vom Kindergarten abholen, und wenn du am Nachmittag im Café jobben musst, kann ich ja mit ihr auf den Spielplatz, falls sie mitgeht und es nicht regnet und du das überhaupt willst, ich bin nämlich krankgeschrieben, die ganze nächste Woche noch.«
    Puck schwieg. Sie hatte sich auf dem Küchenstuhl zurückgelehnt, die Hände hinter dem Kopf gefaltet, und sah ihn an.
    »Wenn du das wirklich machen willst...«, sagte sie schließlich.
     
    D as Büro von Staatsanwalt Desarts war ein Eckzimmer, dessen Fenster nach Süden und Westen gingen. Es war hell an diesem Morgen, nirgends lag ein Stäubchen, und nirgendwo stapelten sich Aktenbündel, so dass kein Besucher auf die Idee hätte kommen können, dieser Staatsanwalt habe möglicherweise noch etwas anderes zu tun, als sich um ihn zu kümmern. Auf dem Besuchertisch lag, wie immer, ein Häkeldeckchen, und wie immer stand auf dem Deckchen eine Bonbonniere. Es gibt Dinge, dachte Tamar, die ändern sich nie, so überflüssig sie auch sein mögen. Irgendwann wird es diese Bonbonniere nicht mehr geben, und dann wird sie mir womöglich fehlen.
    Desarts bat die Besucher herein. Rechtsanwalt Petri nickte ihr grüßend zu, ein eher kleiner Mann mit einer Aktentasche, bei deren Anblick man sich gerne fragte, warum es diese nicht zwei Nummern kleiner gegeben hatte. Neben ihm schob sich ein großer kräftiger Kerl ins Zimmer, erste graue Strähnen in der schwarzen Lockenpracht, Jeans und eine Lederweste, die an ihm ausnahmsweise nicht so aussah, als würde er einen Mercedes der A-Klasse fahren.
    Ein Macho wie aus dem Bilderbuch im Frauenladen, dachte Tamar. Eine Fassade von Kraft und Selbstsicherheit und nirgends ein Riss zu erkennen, kein einziges Anzeichen einer Unsicherheit, auch wenn deren größte Sorge es nur wäre, erkannt zu werden. Der ist vielleicht wirklich so. Nur die Augen schienen ein wenig unruhig, als ob er sich fehl am Platze fühle. Aber wer, wenn er nicht Staatsanwalt ist, fühlt sich bei der Staatsanwaltschaft schon am rechten Ort?
    »Mein Mandant hat, wie er mir schlüssig dargelegt hat, Vorbehalte gegen die Justiz«, eröffnete Petri das Gespräch, kaum dass man sich um den Besuchertisch gesetzt hatte. »Er ist zweimal verurteilt worden, und beide Male wäre der Staatsanwaltschaftkein Zacken aus der Krone gefallen, wenn sie das Verfahren vorher eingestellt hätte, alles was recht ist.« Er blickte von Tamar zu Desarts, aber es kam kein Widerspruch, Desarts nickte nur aufmerksam.
    »Deswegen – und nur deswegen – hat Herr Keull gestern ein Problem gehabt, dieser etwas hemdsärmeligen Einladung seitens der Polizei Folge zu leisten.« Petri hob beide Hände, die Handfläche nach oben gekehrt. »Das ist sicher nicht klug gewesen, aber was soll’s? Seine Lebensgefährtin, die übrigens draußen wartet, hat ihn überzeugt, sich juristisch beraten zu lassen.« Sein Blick nahm Tamar ins Visier. »Und hier sind wir. Was also wünschen Sie von Herrn Keull?«
    Tamar wollte antworten, sah aber, dass Desarts die Hand gehoben hatte. »Es ist wirklich nur eine Kleinigkeit«, sagte der Staatsanwalt, drehte sich zu seinem Schreibtisch um, nahm das Telefon und gab eine Kurzwahl ein.
    »Wenn Sie ihn jetzt herüberschicken wollen«, sagte er, als sich der Gesprächsteilnehmer gemeldet hatte.
    »Ich stelle Ihnen jetzt jemand vor«, sagte Desarts, zu Keull gewandt, »und würde gerne wissen, ob Sie ihn schon einmal gesehen haben.«
    Er wartete. Von draußen hörte man Schritte. Die Schritte verharrten. Sprach jemand? Desarts runzelte die Stirn, ging zur Tür und öffnete sie. »Kommen Sie ruhig herein, Sie sind hier richtig.«
    Dannecker betrat das Zimmer und blieb zögernd stehen. Er trug Cordhosen, einen Pullover und eine ausgebeulte Hausjacke. Das Morgenlicht, das durch das Südfenster hereinfiel, zeichnete die grauen Stoppeln im unrasierten Gesicht nach und die Tränensäcke unter den Augen, die fast schon so verschwommen waren wie die eines wirklich alten Mannes.
    »Sie kennen sich?«, fragte Desarts und machte eine Handbewegung, als ob er Keull bitten wolle aufzustehen. Der blieb sitzen und stemmte sich erst hoch, als ihm Petri ein Zeichen gab.
    Desarts wiederholte seine Frage.
    Dannecker schüttelte den Kopf. »Es kann sein, dass ich diesen Mann schon einmal gesehen habe. Aber wann und aus welchem Anlass, das weiß ich wirklich nicht.«
    »Und Sie?« Desarts hatte sich an Keull gewandt.
    »Wenn er’s

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