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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Künstler, den kannst du nicht einsperren, das ist ein Verbrechen, der geht im Knast zugrunde, verstehst du? In dieser Stadt, in der alles drittklassig ist, der Fußball, das Theater, die Zeitung – da ist Alexander Keull der Einzige, der aus diesem Mittelmaß herausragt, der eine Idee hat vom großen Entwurf, auch wenn du das nicht wahrhaben willst, weil du selbst bloß so eine graue Maus bist...«
    »Danke«, sagte Matthes. »Es reicht.«
    Luzie schwieg. Durch die Fenster sah man die Kronen der kümmerlichen Bäume, die in der Pfauengasse gepflanzt worden waren. Die Kronen waren kahl. Was bin ich nur für eine unglaublich dumme Kuh, dachte sie.
    »Also gut«, sagte sie schließlich. »Vergiss, was ich dir gesagt habe.« Sie winkte der Bedienung. Weil sie für das Parkhaus noch ein paar Münzen brauchte, nahm sie aus ihrem Portemonnaie einen Zehner. Mit dem Geldschein fiel eine Karte heraus.
    Es war eine Visitenkarte, wie sie Beamte der baden-württembergischen Polizei verwenden. Unter dem Namen Markus Kuttler war handschriftlich die Nummer eines Mobiltelefons eingetragen.
     
    J anina war das mit Seilen bespannte Gerüst hochgeklettert, hielt sich mit einer Hand fest und schaukelte befriedigt auf dem Verbindungsstück, auf dem sie sich breitbeinig mit beiden Füßen abgestützt hatte.
    »Gib mir deinen linken Schuh!«
    Kuttler stand etwas besorgt unter ihr, um sie jederzeit auffangen zu können. Zwar war der Boden unter dem Klettergerüst mit elastischem Kunststoff ausgelegt, aber man konnte nie wissen.
    »Wenn ich dir den linken Schuh gebe, kann ich hier nicht mehr rumlaufen«, erklärte er und wies auf die Kieswege rund um das Klettergerüst. »Das macht keinen Spaß, mit einem Fuß in der Socke herumzuhüpfen.«
    »Du sollst nicht hüpfen, sondern mir zugucken!«
    »Aber wenn du bloß einen Schuh hast, hat das keinen Witz«, versuchte es Kuttler noch einmal. »Du musst die Schuhe von vielen haben, also zum Beispiel von all den anderen Kindern aus dem Kindergarten, lauter linke Schuhe, und du sitzt oben auf dem Seil und zeigst sie ihnen, bis die Kinder alle zornig werden und ihre Schuhe wiederhaben wollen, aber du tust nichts und sitzt nur oben und spielst mit den Schuhen, und erst, wenn sie so richtig grün vor Zorn sind und schreien, sagst du: bitte sehr! Und schmeißt die Schuhe herunter...« Kuttler, was redest du da!
    »Und das ist ein Witz?«
    »Jein«, wich Kuttler aus. »Ein Witz ist, wenn es anders kommt, als man denkt. Wenn die Kinder zum Beispiel denken, du willst ihnen die Schuhe stehlen, auch wenn niemand lauter linke Schuhe stiehlt, und ihnen schwups! die Schuhe um die Ohren fliegen, so dass keines mehr weiß, welches seiner war.« Kuttler, gib es auf.
    »Ein Witz ist, wenn ich ihnen die Schuhe auf den Kopf schmeiß, dass es Batsch! macht«, sagte Janina und schaukelte. Das Seil quietschte.
    »Dein Seil quietscht komisch«, sagte Kuttler.
    »Nein«, widersprach Janina, »dein Handy piepst. Ist das die Mama?«
    Kuttler tastete nach seiner Hosentasche und zog das Handy heraus. Tatsächlich war ein Anruf aufgelaufen, aber die Nummer auf dem Display sagte ihm nichts. Er meldete sich.
    »Haltermann«, sagte eine Frauenstimme. »Luzie Haltermann. Vielleicht erinnern Sie sich – Sie haben mir Ihre Karte bei der Trauerfeier für Tilmans Mutter gegeben.«
    Kuttler legte die Hand aufs Mobiltelefon und sagte zu Janina, dass es nicht die Mama sei. Dann nahm er das Gespräch auf.
    »Ich erinnere mich.«
    »Ich wende mich an Sie, weil ich bei der Polizei nur Sie kenne
    und sonst niemanden weiß, der mir helfen kann. Sie wissen
    sicherlich, dass Alexander Keull festgenommen worden ist.« Schön, dachte Kuttler.
    »Das ist ein schrecklicher Irrtum. Sascha kann nichts damit zu tun haben.«
    Kuttler schwieg.
    »Sie haben in dieser Sache doch ermittelt, Sie haben versucht, diese Neujahrsnacht zu rekonstruieren, also müssen Sie doch auch wissen...«
    »Ich bin nicht im Dienst«, sagte Kuttler. »Die Ermittlungen führt meine Kollegin Tamar Wegenast.«
    Janina hatte begonnen, ganz auf die Spitze des Gerüstes zu klettern.
    »Aber Sie können doch nicht zusehen...«
    »Einen Augenblick!« Janina hatte die Füße an der obersten Querverbindung eingehakt und ließ sich kopfüber nach unten hängen. Kuttler rannte zu ihr hin und hielt den rechten Arm so, dass er sie würde auffangen können.
    »Geh weg!«, sagte Janina. Kuttler blieb stehen.
    »Bitte...«, sagte die Stimme am anderen Ende der Verbindung.
    »Ich mache

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