Uferwald
es für dich und sag auf keinen Fall, dass du es von mir weißt...«
Wenn das so war, was wollten diese Gummistiefel? Er ging auf einen der Männer zu, der zwar eine Lederjacke trug, aber auch eine Brille, und insgesamt etwas weniger grobschlächtig aussah als die anderen.
»Sie entschuldigen«, sagte Treutlein, »ich bin einer der Anwohner hier, wollen Sie denn jetzt doch dieses Heim bauen?«
»Nichts zu entschuldigen«, antwortete der Mann, griff in die Brusttasche seiner Lederjacke und überreichte Treutlein seine Visitenkarte. Er war Architekt und arbeitete für die Bau-, Planungs- und Entwicklungsgesellschaft UlmComfort .
Treutlein beschlich ein ungutes Gefühl.
»Übrigens ist da kein Heim geplant, oder besser: nicht mehr«, fuhr der Architekt fort. »Das Gelände ist dafür wohl auch einbisschen zu wertvoll, finden Sie nicht? Wir planen jetzt einen Apartmentbau, hochwertiges Wohnen, natürlich für ein entsprechend anspruchsvolles Publikum, Sie dürfen sich davon eine Aufwertung dieses gesamten Wohngebietes erhoffen, und wir erhoffen uns eine gute Nachbarschaft.«
Treutleins ungutes Gefühl verstärkte sich. »Und in welcher Größenordnung wollen Sie da bauen?«
»Das ist natürlich noch Verhandlungssache«, antwortete der Architekt, »da wir aber mit der freien Fläche möglichst sparsam umgehen wollen – das ist ja eine Ressource, verstehen Sie? Also schon aus ökologischen Gründen zielt unsere Planung auf zwölf Stockwerke, wie wir dies auch aus den Vorgaben des Flächennutzungsplans der Stadt ableiten können. Nettes Vogelnest, das Sie da gefunden haben, von einer Hecken-Braunelle vielleicht?«
»Ja, gut möglich«, sagte Treutlein gedankenverloren, »die brauchen keine zwölf Stockwerke...«
S ie bleiben also dabei«, fragte Desarts, »dass Ihnen der Herr Dannecker unbekannt ist? Gänzlich unbekannt?«
Keull schüttelte ärgerlich den Kopf. »Wie oft soll ich...« Petri legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich rate meinem Mandanten«, sagte der Anwalt, »sich dazu jetzt gar nicht zu äußern.«
Desarts lächelte und wandte sich Tamar zu. Es war ein kleines, nachsichtiges Lächeln. »Bitte«, sagte er auffordernd.
Tamar nickte. »Im Januar 1999 haben Sie, Herr Keull, den Schlüssel zu einem Bahnhofsschließfach abgeholt«, sagte sie mit kühler gleichgültiger Stimme. »Der Schlüssel war zuvor von Dannecker bei der Verkäuferin eines Obststandes abgegeben worden. Wir haben heute mit der Verkäuferin gesprochen. Sie hat Sie, Herr Keull, sofort identifiziert.«
»Anhand welcher Vorlagen, bitte?« Petri klang ärgerlich, aber nicht alarmiert.
»Anhand des ›Tagblatts‹. Herr Keull war darin abgelichtet.«
Tamar klappte die Mappe auf, die sie mitgebracht hatte. »Hier ist der Bericht meiner Kollegin Rohm und hier der Artikel des ›Tagblatts‹ samt Foto.« Sie wandte sich wieder an den Bildhauer. »Was war das, was Dannecker im Schließfach für Sie deponiert hatte?«
»Das alles ist doch lächerlich«, sagte Keull.
»Wie Sie meinen«, antwortete Tamar. »Wann haben Sie Solveig Wintergerst kennen gelernt?«
Petri runzelte die Stirn. »Solveig wer?«, fragte Keull zurück.
»Solveig Wintergerst«, wiederholte Tamar. »Sie haben sie wiederholt in Thalfingen besucht. In dem Appartement, das ihr von Dannecker zur Verfügung gestellt worden war. Wenn Dannecker nicht da war. Dämmert es?«
»Ich streite ja nicht ab, dass es da mal eine Solveig gegeben hat«, sagte Keull und deutete ein Lächeln an. Er hatte ein auffallend kräftiges, intaktes Gebiss. »Vermutlich hat es das. Aber die Nachnamen muss ich mir wirklich...«
»Später haben Sie in Paris mit ihr zusammengelebt«, fuhr Tamar fort. »Bis Sie ihr das Gesicht zusammengeschlagen haben.«
»Das geht so nicht«, sagte Petri, an den Staatsanwalt gewandt, der sich in den Zeitungsausschnitt vertieft hatte. »Das ist keine Vernehmung, das ist ein persönlicher Rachefeldzug.«
Tamar ließ ihn unbeachtet. Ihre Augen waren unbeirrt auf Keull gerichtet. »Warum haben Sie das getan? War das Geld aufgebraucht, das Sie von Dannecker erpresst hatten? Sollte sie für Sie anschaffen gehen und wollte nicht?«
Keull hob die Hand, als ob er sich an die Stirn klopfen wollte, ließ es dann aber bleiben und begann, seine Fingernägel zu betrachten.
»Oder weil sie etwas gesagt hat, das Sie nicht ertragen haben? Weil sie Sie an etwas erinnert hat, woran man Sie nicht erinnern darf?«
»Genug«, sagte Petri. Er beugte sich über den Tisch und sah zu
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