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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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fand. »Das ist schön, dass Sie Ihren Obersten Dienstherrn so verteidigen«, sagte er und streckte Kuttler die Hand hin. »Wir kennen uns ja wohl vom Sehen, aber jetzt will ich mich doch mit Ihnen bekannt machen – Dannecker ist mein Name, Wolfram Dannecker...«
    Die Hand ragte Kuttler aus einem Anzugärmel entgegen, der am Rand schon etwas ausfaserte. Der Anzug war aus einem teuren englischen Tuch geschneidert, aber jetzt faserte er aus. Warum fällt mir das auf, dachte Kuttler, bis er begriff, dass er jetzt die Hand nehmen musste und den Händedruck erwidern.
    »Kuttler«, sagte er, »Markus Kuttler. Angenehm.«
     
    Ö l tendierte leichter, deutsche Aktien zum Börsenschluss geringfügig im Plus, der Dollar nicht mehr ganz so schwach. Manfred Czybilla schaltete den Nachrichtenkanal aus und gähnte. Alles ganz nett. Eichhörnchenfutter. Der Singapur- Fond tümpelt vor sich hin. Egal. Der liebe Gott lässt einen braven Spekulanten nicht verkommen, die Dreißigtausend des Installateurs von heute Morgen rissen vorerst alles heraus, wozu der zivilisatorische Fortschritt nicht gut war! Früher hatten sie Sitzgruben auf der Alb, und jetzt...
    Noch einmal sah er sich den Kontoauszug an, den er sich vorhin hatte ausdrucken lassen, und lächelte ein kleines Lächeln, das er mit niemandem teilen musste. Falter, Angelika. Siebzig Euro unterm Limit vom Überziehungskredit, und das Monatsende noch in weiter Ferne! Kein Wunder, Alimente flossen offenbar nur selten oder nie, das kommt davon, wenn eine nicht ans Geld denkt, wenn sie die Beine breit macht. Nun ja, weiß man’s, vielleicht hat die gute Puck inzwischen dazu gelernt, vielleicht kellnert sie auch wieder, aushilfsweise, ohne Lohnsteuerkarte, dann aber in keiner der besseren Kneipen, sonst wäre sie ihm sicher wieder einmal über den Weg gelaufen...
    Er stand auf, zog seinen Mantel an und schloss sein Büro ab. Genug für heute, ohnehin war er vermutlich wieder einmal der Letzte. Der Fahrstuhl brachte ihn in die Tiefgarage, die für die Mieter des Blocks sowie die Mitarbeiter der Filiale und der beiden Arztpraxen im Haus reserviert war. Wie immer musste er sich zwingen, nicht zu schnell zu seinem Wagen zu gehen. Die Tiefgarage war ihm unheimlich. Im Haus wohnte längst nicht mehr die beste Kundschaft, und wie oft las man, dass Bankmitarbeiter als Geiseln genommen worden waren!
    Er startete seinen BMW und legte sich noch einmal – während das Rollgitter der Tiefgarage langsam nach oben glitt – seinen kleinen Fahrplan für diesen Abend zurecht. Es brauchte nicht teuer zu werden. Eine Flasche Schampus, eine Tafel Schokolade für den Schreihals – nein, keine Schokolade, einTeddybär, im neuen Einkaufszentrum müsste so etwas ja wohl zu finden sein.
    Und dann ein beiläufiges kleines Angebot. Die Kreditlinie ist ein wenig eng gezogen, finde ich, viertausend – wäre dir damit geholfen? Ich brauch nur ein Wort mit dem Sachbearbeiter zu reden, der löchert mich sowieso die ganze Zeit, dass ich ihn einsteigen lasse...
    Aber warum Puck? Er schaltete den CD-Player ein, eine triumphierende, eine auftrumpfende Musik brach aus den Lautsprechern, wieso hatte er Verdi aufgelegt? Ihm war heute nicht nach Verdi. Das triumphierende Blech brach ab, trat respektvoll zurück und machte Platz dem alles und vor allem sich selbst liebenden Tenor des Herzogs von Mantua: La donne é mobile...
    Die anderen waren schuld. Dieses blöde Treffen im Eastside. Alles war noch einmal hochgekommen. Ihm war es hochgekommen. Und da darf man dann ja wohl auch das Angenehme ein bisschen aufwärmen, jetzt, wo alle dazugelernt hatten und wussten, was zählt. Geld zählt, er hatte es ja immer gewusst. Also würde niemand mehr Umstände machen, diesmal nicht, so trügerisch sind Weiberherzen gar nicht.
     
    D ie Anzeige des Anrufbeantworters blinkte in nervtötendem Gleichmaß. Kuttler verzog das Gesicht und drückte auf die Abspieltaste:
    »Ja, ich habe also mit Toby über deinen Vorschlag gesprochen, und er findet es auch ganz unmöglich, dass du uns Leute ins Haus schicken willst, die sich dann hier umsehen können und alles ausspionieren...«
    Kuttler drückte auf die Löschtaste, und Kerstins Stimme brach ab, als seien ihr die Stimmbänder gerissen. Befriedigt ging er in die kleine Küche, entschied, das letzte Bier aufzuheben, und schaltete den Wasserkocher ein, um sich einen Tee aufzugießen. Das Buch, die Aufzeichnungen dieses Tilman, hatte er nun doch nicht auf den Michelsberg gebracht,

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