Uferwald
nicht?«
»Nein, die Nachbarin ist verhindert, die sonst auf Mona und Johannes aufpasst. Außerdem...«
»Ja?« Das kam von Luzie.
»Ich glaube, es ist ihr grad einfach zu viel. Sie findet, wir sollten Blumen schicken, alles andere wäre aufgesetzt...«
»Sie will nicht gern an Tilman erinnert werden, wie?«, warf Czybilla ein.
»Wie meinst du das?«, fragte Treutlein leise zurück, aber Luzie fuhr dazwischen und erklärte energisch, dass sie keine Zeit habe, die Kindereien von Juffy und vom Bilch anzuhören. »Ich will jetzt wissen, ob wir, also die Clique von früher, einen Kranz schicken, als Freunde von Tilman, oder ob wir es jedem von uns überlassen, ob er hingeht und Blumen mitbringt...«
»Sagtest du: Freunde Tilmans?«
»Ja, Bilch. Die Freunde von Tilman. Das waren wir einmal.«
D er Auftritt des Zeugen Kuttler hat sich dann doch hingezogen. Bei seiner ersten Vernehmung durch die Polizei hatte der Hauptangeklagte – ein untersetzter stämmiger Mann – noch in der Tatnacht zugegeben, er erinnere sich dunkel daran, dass er einmal ein Messer besessen habe. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Eisholm, konnte sich diese Aussage aber nur dadurch erklären, dass der vernehmende Beamte – Kuttler also – erhebliche physische und psychische Gewalt gegen seinen Mandanten ausgeübt habe.
»Sie sind damals doch davon ausgegangen, dass der Nebenkläger sich in Lebensgefahr befindet, nicht wahr?«, fragte Eisholm. Er hatte seinen Platz neben dem Hauptangeklagten verlassen, die Brille in der Hand, und nahm Kuttler – den Kopf leicht schief haltend – ins Visier, als könne er ihn auf die Weise besser orten oder durchschauen.
»Das ist mir so gesagt worden«, antwortete Kuttler höflich.
»Sie haben also damit gerechnet, dass es sich möglicherweise um ein Verbrechen des Totschlags handeln könne? Vielleicht gar...« – Eisholm machte eine absichtsvolle Pause – »um Mord?«
»Diese rechtliche Bewertung stand mir im Augenblick der Vernehmung nicht zu.«
»Sie sind ein junger Beamter?« Eisholm zog sich wieder hinter den Tisch zurück, auf dem seine Akten lagen. »Ulm ist keinegroße Stadt. Ich trete Ihnen nicht zu nahe, wenn ich sage, Sie haben noch nicht oft in Mordfällen ermittelt?«
»Ich weiß nicht, was Sie oft nennen.«
»Ja, das ist sicherlich relativ«, räumte Eisholm ein. »Aber Sie haben den Fall sehr ernst genommen? Sie waren motiviert?« »Ich habe den Fall ernst genommen, ja.«
»Sie kennen den Fall des Herrn Daschner in Frankfurt«, sagte Eisholm. »Sicherlich kennen Sie ihn. Sicherlich haben Sie sich auch schon einmal gedacht, in einer solchen Situation, wenn es um ein Menschenleben geht – also da hätte ich auch zugepackt. Oder zupacken lassen.«
»Ich halte nicht viel von Gewalt«, antwortete Kuttler. »Eigentlich gar nichts. Auch nicht davon, jemanden einzuschüchtern.« Plötzlich lächelte er schmal. »Schon deswegen, weil es höchstens komisch aussieht, wenn ich so etwas versuchen würde...«
»Ach ja?«, antwortete Eisholm. »Sie finden meine Fragen komisch? Man macht sich in dieser Stadt lustig, wenn ein Verteidiger seine Arbeit tut?«
A lso, mir reicht es jetzt«, sagte Luzie und nahm einen Schluck von dem Tee, den sie sich hatte bringen lassen. »Es war vielleicht keine so besonders gute Idee, dass wir uns noch einmal treffen. Jedenfalls werde ich zu der Beerdigung gehen, und was ihr tut...«
»Du brauchst jetzt nicht die Große Anteilnehmende zu spie‑
len«, sagte Czybilla ärgerlich. »Du musst da hin, weil dein La‑
den es vergeigt hat, sich um die tote Frau zu kümmern.« »Von dir erwartet es ja auch niemand«, warf Treutlein ein. »Eben. Aber grad drum geh ich hin.«
»Ich kann es noch nicht sagen«, meinte Andreas Matthes. »Es kommt auf den Termin an, mein Chef...«
Die anderen warteten, aber er sprach nicht weiter.
»Sein Chef ist der Ansicht«, erklärte Luzie, »dass die Heimstättendas in den Griff kriegen sollen, die Stadt will da nicht involviert sein.«
Matthes schüttelte den Kopf. »So hab ich das nicht gesagt.« Er winkte der Bedienung. »Sobald ich von der Friedhofsverwaltung den Termin habe, sage ich euch jedenfalls Bescheid.« Er bezahlte, die anderen folgten seinem Beispiel.
»Weiß eigentlich jemand«, fragte Treutlein, als die anderen ihre Mäntel anzogen, »was Puck treibt?«
»Hat ein Kind«, antwortete Luzie. »Wohnt oben am Buchenbronn. Sie muss heute Nachmittag jobben, hat sie mir am Telefon gesagt.«
»Sie lebt in einer von
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