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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mann
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Tod von Nils zu tun hatte? War Nils’ Ableben gar kein Unfall gewesen? Oder brachte das wirklich mein Job mit sich, dass ich überall einen Zusammenhang vermutete? Schließlich konnte es auch purer Zufall sein, Tollkirschen wuchsen nun mal in den hiesigen Wäldern und waren keineswegs selten. Allerdings war die Tollkirsche neben Saids Leiche ungewöhnlich gut erhalten gewesen, das hatte Schmied betont. Und Tollkirschen wurden offenbar benötigt, um diese Hexensalbe herzustellen.
    »Wo würdest du Tollkirschen kaufen, wenn du jetzt gleich welche brauchen würdest?«, erkundigte ich mich bei Marwan. Ich war mir noch nicht ganz sicher, worauf ich eigentlich hinauswollte. Vielmehr kam ich mir vor wie eine Katze, die zwar spürt, dass der Boden warm ist, den genauen Verlauf der Heizungsrohre aber noch nicht ausfindig gemacht hat.
    Erstaunt kratzte sich Marwan das Kinn. »Tollkirschenextrakt ist sicher in Apotheken erhältlich, aber ich denke, man braucht ein Rezept dazu.«
    »Ich meine frische. Wo kaufe ich frische Tollkirschen?«
    Er schloss das Buch und legte seine Hände darauf, als wollte er es beschützen. »Man kann keine frischen Tollkirschen im Supermarkt kaufen wie Trauben oder Pfirsiche, wenn du das meinst. Die wenigsten Leute können damit etwas anfangen – glücklicherweise, muss ich anfügen. Aber man kann die reifen Beeren im Sommer und im Herbst im Wald sammeln, dort wachsen sie in großen Mengen. Weshalb interessierst du dich plötzlich so dafür?«
    »Ich kann es nicht genau sagen, aber ich habe da so ein vages Gefühl, dass Nils’ Tod mit einem anderen Fall zusammenhängen könnte, an dem ich gerade arbeite …«
    Marwan sah mich aufmerksam an. »Intuition sollte man immer ernst nehmen. Gerade du hast jede Menge davon.«
    Abschätzig rümpfte ich die Nase.
    »Ich habe bemerkt, dass du nicht allzu viel von Esoterik hältst und allem, was damit zusammenhängt«, konstatierte Marwan lächelnd. »Aber wenn du es erlaubst, würde ich dir gern die Karten legen.«
    Wäre ich nicht so erschöpft gewesen und hätte Marwan nicht einen derart einnehmenden Eindruck auf mich gemacht, ich hätte ihm auf der Stelle gesagt, auf welchen Körperteil er mir seine Karten legen konnte. Doch so stimmte ich zu und während er zum Kartenstapel griff und ihn mit flinken Bewegungen zu mischen begann, wunderte ich mich insgeheim darüber, weshalb er mir die Zweifel allem Esoterischen gegenüber so deutlich angesehen hatte. Ich musste lernen, meine Mimik besser zu kontrollieren.
    Als Marwan fertig war, ließ er mich ein einziges Mal vom Stapel abheben, im Anschluss legte er ein Kreuz von zehn Karten vor sich aus.
    »Deinem Vater geht es nicht gut«, bemerkte er nach einem kurzen Blick auf die Motive beiläufig. »Aber er wird bald nach … Indien zurückreisen und sich erholen. Doch etwas wird sich verändern, er wird danach nicht mehr derselbe sein.«
    Ich warf Kathi einen strafenden Blick zu, doch sie wehrte sich nachdrücklich gegen meinen stummen Vorwurf. Mein Verdacht war auch unsinnig, denn seit wir Marwans Wohnung betreten hatten, hatte sie sich stets im selben Raum aufgehalten wie ich. Es konnte also nicht sein, dass sie ihm Informationen über mich gesteckt hatte. Abgesehen davon, dass es zu nichts gut gewesen wäre.
    »Du hast ein nicht gerade einfaches Verhältnis zu deiner Mutter. Sie würde dich gern beherrschen, so wie sie vieles beherrscht. Aber du lässt es nicht zu, denn du bist stärker als sie. Wenn sie das eines Tages akzeptiert, werdet ihr eine entspanntere Beziehung haben, wenn auch keine ausschließlich harmonische. Doch bis dahin dauert es noch eine Weile.«
    »Deine Karten scheinen gerade ziemlich in Plauderlaune zu sein«, warf ich spöttisch ein und konnte mich dennoch eines mulmigen Gefühls nicht erwehren. Bislang hatten die Karten voll ins Schwarze getroffen.
    Unbeirrt fuhr Marwan fort: »In der Liebe geschieht gerade nicht viel. Du bist zu absorbiert von deiner Arbeit. Aber bald wirst du Frauen kennenlernen. Viele Frauen …« Marwan runzelte die Stirn und betrachtete eine der Karten eingehender.
    »Genau so steht es hier. Viele Frauen, doch keine wird bleiben.«
    »Ist doch prima! Wo liegt da das Problem?«, grinste ich, doch weder Kathi noch Marwan schienen das witzig zu finden.
    »Du musst noch viel lernen. Zwar hast du einen wichtigen Abschnitt hinter dich gebracht, doch noch stehst du am Anfang einer Entwicklung. Aber wenn du dranbleibst und jede Prüfung bestehst, wirst du Erfolg haben. In

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