Uferwechsel
sein Familienglück aufs Spiel gesetzt hätte, sondern auch seine Karriere. Es war nicht anzunehmen, dass seine Frau von seiner Vergangenheit wusste.
Also hatte er seine Liebhaber umgebracht. Und damit nicht nur Zeugen beseitigt, sondern gleichzeitig auf eine abartige Art sein Gewissen gereinigt. Bis der unterdrückte Drang erneut stärker wurde als er. Ich schauderte, als ich mir vor Augen führte, dass ich sein nächstes Date gewesen wäre.
Damit es nicht danach aussah, als wären die Männer ermordet worden und der Verdacht im Laufe der Ermittlungen gar auf ihn fiel, fingierte er Unfälle. Als Staatsanwalt wusste er genau, worauf er achten musste. Said als tiefgefrorene Leiche, die aus dem Flugzeug gefallen war, Nils, der offiziell an Drogenmissbrauch draufging. Es sollte zufällig wirken, war aber akribisch geplant. Vielleicht hatte er auch Kevin gekannt.
Tobler war der Mörder der jungen Männer, alles sprach dafür! Das Einzige, was mir jetzt noch fehlte, waren handfeste Beweise oder besser noch: ein Geständnis.
Doch Tobler war ein mit allen Wassern gewaschener Gegner, der sich mit Tricks auskannte. Objektiv betrachtet, war er mir eine Nummer zu groß. Einfach die Waffen zu strecken und aufzugeben, war freilich nicht denkbar, das war ich den ermordeten Jungs, meinem Auftraggeber und nicht zuletzt Kathi schuldig.
Es führte nur ein Weg zum Ziel: Ich musste Tobler dermaßen unter Druck setzen, dass er die Morde zugab. Grübelnd blickte ich hinauf zu seinem Büro. Er hatte das Foto wieder hingestellt und machte sich an einem Aktenschrank zu schaffen. Mit einem Mal wusste ich, wo ich etwas finden würde, das ihm garantiert die Hölle heißmachte. Gesetzt den Fall, meine Theorie traf zu.
Manchmal musste man sich als Detektiv über gängige Gesetze und moralische Bedenken hinwegsetzen, wenn man an Verhandlungsmaterial rankommen wollte. Natürlich plagte mich mein schweizerisch korrektes Gewissen, andererseits sah ich keinen anderen Weg, um meinen Verdacht zu bestätigen.
Ich parkte meinen Käfer auf der gegenüberliegenden Straßenseite des schäbigen Wohnhauses. Aus dem Radio sang Rihanna, sie wünsche, wie das einzige Mädchen auf der Welt behandelt zu werden. Wie der einzige Junge auf der Welt fühlte ich mich hier draußen in der Dunkelheit, während ich zu den erleuchteten Wohnungen hinaufblickte. Einzig im Souterrain brannte kein Licht mehr, wie ich mich gleich als Erstes versichert hatte.
Was hätte ich jetzt für einen Schluck Amrut gegeben! Die Kälte kroch durch jede Ritze des Wagens. Doch kein Alkohol, ich brauchte einen klaren Kopf, auch Zigaretten waren tabu. Als Nächstes würde ich wohl beginnen, Sport zu treiben, so weit war es mit mir gekommen.
Ich hätte es vorgezogen abzuwarten, bis das Haus nicht mehr so belebt wirkte, doch dazu war keine Zeit. Ich drehte das Radio aus, stieg aus dem Wagen und überquerte die Straße. Der Hauseingang war verschlossen, doch kaum hatte ich wahllos einige Klingeln betätigt, ertönte der Summer und die Verriegelung sprang mit einem Klicken auf. Über die Treppe gelangte ich ins Untergeschoss. Ich kniete mich vor der abgeschlossenen Tür am Ende des Ganges hin, um erneut meinen raffinierten Kartentrick aus den Filmen anzuwenden, nur funktionierte er ebenso wenig wie bei Saids Zimmertür. Entnervt erhob ich mich wieder. Hollywood war unglaubwürdig, das musste wieder einmal gesagt werden.
Mein bestechend simpler Plan war es gewesen, reinzumarschieren, mir die Beweisunterlagen zu schnappen und wieder draußen zu sein, bevor überhaupt irgendjemand den Einbruch bemerkte. Der Plan war unbrauchbar. Ich wog die Möglichkeit ab, mich mit Wucht gegen die Tür zu werfen. Das hätte vielleicht geklappt, doch gleichzeitig viel zu viel Lärm verursacht.
Ich trat wieder vors Haus und umrundete in einem Erkundungsgang den Block. Vom üppig bepflanzten Innenhof her, in den man durch ein offen stehendes Gittertor gelangte und der von matten Lampen über den rückwärtigen Hauseingängen erleuchtet wurde, schien mir der Einstieg ins Souterrain am sinnvollsten, befanden sich hier doch zwei kleinere Fenster, die wahrscheinlich zur Toilette gehörten. Ein Einbruch würde an dieser Stelle nicht so schnell auffallen, andererseits waren Geräusche viel deutlicher als auf der Straßenseite zu hören. Ich konnte einzig darauf hoffen, dass sich die Hausbewohner gerade irgendeine Sendung im Fernsehen anguckten, wo geschrien, gesungen oder sonstwie gelärmt wurde. Davon gab es ja
Weitere Kostenlose Bücher