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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel
Autoren: S Mann
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einige.
    Versuchsweise drückte ich gegen eine der Fensterscheiben. Sie war staubig, der Rahmen wirkte morsch und hätte dringend ersetzt werden müssen. Nun, nach meinem Kurzbesuch würde das unumgänglich sein. Ich holte gerade mit dem Ellbogen aus, als im Durchgang zum Innenhof ein Fahrradlicht aufleuchtete. Hals über Kopf hechtete ich hinter einen der Weißdornbüsche vor der Hauswand und rührte mich nicht. Knirschend näherte sich das Velo über den kiesbedeckten Vorplatz. Der Fahrer lehnte das Rad neben den Eingang und schloss es mit einer Kette umständlich ab. Ungeduldig verfolgte ich jede seiner Bewegungen. Endlich öffnete der hagere Mann die Hintertür des Wohnhauses und war beinahe schon drin, als er plötzlich stehen blieb und angestrengt in die Dunkelheit starrte.
    Ich hielt die Luft an. Der Mann, den ich im Schein der Lampe auf etwa fünfzig schätzte, drehte sich um und kam jetzt ein paar Schritte in meine Richtung. Ich spannte schon die Muskeln, um für eine mögliche Flucht vorbereitet zu sein, als ich die Katze entdeckte, die mit aufgerichtetem Schwanz auf den Hageren zustolzierte und ihm jetzt leise schnurrend um die Beine strich. Erleichtert atmete ich auf.
    Nachdem er das Tier gestreichelt hatte, richtete sich der Typ wieder auf und betrat endlich das Haus. Sobald die Treppenhausbeleuchtung wieder erloschen war, zog ich meine Jacke aus, wickelte den Stein hinein, den ich unter dem Busch ertastet hatte, und sprintete geduckt auf eines der Fenster zu. Mit einem gezielten Hieb zertrümmerte ich die Scheibe. Dank des dämpfenden Stoffes war dabei nicht mehr als ein trockenes Knirschen zu hören, nur die in den Raum hineinfallenden Splitter klirrten. Behutsam, um meine Arme an den vorstehenden Glaskanten nicht zu häuten, griff ich durch die entstandene Öffnung, entriegelte das Fenster und schlüpfte so geräuschlos wie möglich hinein. Als meine Füße auf dem Toilettendeckel Halt fanden, hielt ich inne und lauschte auf Schritte. Doch alles blieb still.
    Ich deponierte den Stein draußen vor dem Fenster und schüttelte hängen gebliebene Scherbenteilchen aus der Winterjacke, bevor ich sie wieder anzog. Dann schaltete ich die mitgebrachte Taschenlampe ein und schlich in den Korridor hinaus.
    Der Spannteppich knisterte unter jedem meiner Schritte, der Lichtstrahl streifte einen Garderobenständer und glitt über das danebenstehende Buchregal. Neugierig ging ich darauf zu, als plötzlich Bobs maskenhaftes Grinsen im Lichtkegel aufblitzte. Mit einem unterdrückten Schrei knipste ich die Lampe aus. Und gleich wieder an. Mein Puls raste. Bob hatte sich nicht vom Fleck bewegt und grinste mich unverwandt an. Aufatmend erkannte ich, dass es nur ein Werbeplakat war, das mit Bobs solariumgebräuntem Konterfei für die Organisation warb. Ich machte einen weiten Bogen um das Poster und folgte dem Flur zu einem offenen Raum, durch dessen Fenster schwach das Licht der Straßenlampen drang. Von hier an kannte ich mich aus: Ich befand mich im Eingangsbereich von Sanduhr .
    Geräuschlos stahl ich mich in Bobs Büro und richtete den Lichtkegel der Lampe zielstrebig auf den Aktenschrank. Hier würde ich finden, was ich suchte.
    Mit ein paar Schritten war ich hinter Bobs Schreibtisch und zog an der ersten Aktenschublade. Verschlossen! Leise fluchend durchsuchte ich den Schreibtisch, ohne einen Schlüssel zu entdecken, und sah mich anschließend nach einem Gegenstand um, mit dem ich mir hätte gewaltsam Zugang zu den Unterlagen verschaffen können. Doch ich fand nichts Brauchbares. Abwägend fixierte ich das Holzkreuz an der Wand, ließ es dann aber bleiben. Das wäre selbst mir zu blasphemisch gewesen.
    Auf der Suche nach einem Schraubenzieher oder einem Brecheisen trat ich in den Flur hinaus, als vor dem Hauseingang Licht aufflammte. Gleich darauf kam jemand die Treppe herunter und ein Schlüsselbund klirrte vor der Tür. Unverzüglich zog ich mich in Bobs Büro zurück und lauschte angespannt auf die Geräusche, die vom Gang hereindrangen. Die Eingangstür wurde geschlossen, eine Männerstimme summte leise, gleich darauf waren federnde Schritte auf dem Teppich zu vernehmen. Sie steuerten eindeutig in meine Richtung.
    Sekunden später wurde die Klinke hinuntergedrückt und das Deckenlicht eingeschaltet. In den Fußraum des Schreibtisches gequetscht, presste ich meinen Rücken noch fester gegen die Rückwand des Möbels und wünschte, ich wäre bereits zu sportlicher Betätigung übergegangen.
    Die Schritte
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