UFOs über der Erde
Estancia war entschlossen, es nicht soweit kommen zu lassen. Er konnte Marty nicht vertrauen. Marty dachte nur an Marty; er würde Mirtin für hundert Dollar an die Zeitung in Albuquerque verkaufen und am nächsten Tag eine Busfahrkarte nach Los Angeles lösen und verschwinden. Charley hatte nicht vor, Marty auch nur eine Andeutung zu machen.
Von acht bis zwölf ging Charley in die Schule. Fünf Tage in der Woche kam ein verbeulter alter Bus ins Dorf und fuhr alle Kinder zwischen sechs und dreizehn Jahren in die große, aus roten Ziegeln gebaute Regierungsschule für die Indianer. Dort wurde ihnen nicht viel beigebracht, und während der Erntezeit war die Schule sowieso geschlossen.
Charley war überzeugt, daß das mit der mangelhaften Ausbildung Absicht war: Die Indianer sollten dumm und in ihrer Reservation bleiben, damit die Touristen auch weiterhin kommen und sie bestaunen würden. Das brachte dem Staat Geld. Oben in Taos, wo sie das größte und am meisten aufgeputzte Pueblo von allen hatten, verlangten sie ein paar Dollar, wenn einer seine Kamera mit hineinnehmen wollte. Darum wurde in der Regierungsschule nicht viel gelehrt – ein bißchen Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Geschichte, die sie einem vorsetzten, war die Geschichte des weißen Mannes, George Washington und Abraham Lincoln. Warum lehrten sie nicht die Geschichte des Pueblos und der Indianer? fragte sich Charley. Oder die Geschichte der Spanier? Vielleicht wollen sie keine Ideen in unsere Köpfe einpflanzen, dachte Charley.
Manchmal bekam Charley in der Schule die besten Noten, manchmal bekam er die schlechtesten. Es hing alles davon ab, wie interessiert er war, denn die behandelten Themen waren alle leicht. Er konnte lesen und schreiben und rechnen und noch mehr: Er hatte ein Buch über Geometrie gelesen, und er kannte die Sterne. Er wußte, wie Raketen funktionierten. Eine Frau; die an der Schule lehrte, war der Meinung, er solle Zimmermann im Pueblo werden. Charley hatte andere Pläne.
Dann gab es noch eine andere Lehrerin, eine ziemlich gute, Mrs. Jamieson. Sie hatte gesagt, Charley solle übernächstes Jahr in die höhere Schule überwechseln. In der höheren Schule in Albuquerque waren die Indianer nicht von den anderen getrennt. Wer lernen konnte, durfte lernen, egal ob sein Haar schwarz war oder blond. Aber Charley wußte, was passieren würde, wenn er seine Eltern wegen der höheren Schule fragte. Sie würden ihm sagen, er solle eine Zimmermannslehre machen, wie die Frau in der Schule gesagt habe. Marty Moquino sei in die höhere Schule gegangen, würden sie ihm vorhalten, und was habe es ihm genützt? Dort habe er nur gelernt, Zigaretten zu rauchen, Schnaps zu trinken und mit Mädchen Dummheiten zu machen. Hätte er dafür in die höhere Schule gehen müssen? Charley wußte, daß sie ihn nicht gehen lassen würden, und das bedeutete, daß er wahrscheinlich von zu Hause würde weglaufen müssen.
Um ein Uhr setzte der wacklige Schulbus ihn und die anderen Kinder nach einem Vormittag in der Schule wieder auf der Plaza ab. Nachmittags hatte er verschiedene Aufgaben, je nach der Jahreszeit. Der Frühling war natürlich Pflanzzeit, dann arbeiteten alle Frauen und Kinder auf den Feldern. Im Sommer kamen die Touristen. Dann mußte Charley herumstehen und hilfsbereit aussehen und sich fotografieren lassen und hoffen, daß sie ihm ein Zehncentstück zuwerfen würden. Im Herbst mußte er bei der Ernte helfen. Im Winter kamen die heiligen Rituale, die jetzt im Dezember mit dem Tanz des Feuerbundes begannen und mit einigen Unterbrechungen bis zum Frühling andauerten. Diese Feste bedeuteten Arbeit für alle; das Pueblo mußte geputzt und mit bunten Dekorationen geschmückt werden, die Männer mußten Festkleider ausbessern und neu bemalen, die Frauen hatten eine Menge Tonwaren zu brennen, die dann verkauft wurden. Eigentlich sollten die Rituale den Frühlingsregen bringen, aber Charley wußte, daß das einzige, was sie wirklich brachten, die Wintertouristen waren. Die weißen Leute wurden nie müde, den wunderlichen primitiven Ritualen der Eingeborenen zuzuschauen. Sie fingen gegen Ende des Sommers oben im Hopiland mit dem Schlangentanz an, besuchten dann die Zunis und kamen im Winter hierher in die Pueblos am Rio Grande.
Der Tanz des Feuerbundes sollte in einigen Tagen beginnen. Charley machte sich den halben Nachmittag auf verschiedene Weise nützlich, aber zwischendurch sammelte er heimlich einen kleinen Stoß kalter Tortillas, den er in ein
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