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Uhtred 6 - Der Sterbende König

Uhtred 6 - Der Sterbende König

Titel: Uhtred 6 - Der Sterbende König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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erzählt, aber das war nur, was ihr Jarl Cnut aufgetragen hatte.«
    »Die Gabe der Prophétie«, sagte Alfred streng, »wird keinem Heiden verliehen.«
    »Und doch fordert Ihr mich auf, die Zukunft vorherzusagen, Herr?«, fragte ich mutwillig und wurde mit einer weiteren Grimasse belohnt, die ein Lächeln sein sollte.
    »Wie also kannst du sicher sein?«, fragte Alfred erneut.
    »Wir haben gelernt, wie man gegen die Nordmänner kämpfen muss, Herr«, sagte ich, »und sie haben nicht gelernt, wie man gegen uns kämpft. Wenn man Wehrstädte hat, liegen alle Vorteile bei den Verteidigern. Sie werden angreifen, wir werden uns verteidigen, sie werden verlieren, wir werden siegen.«
    »Bei dir hört sich das so einfach an«, sagte Alfred.
    »Zu kämpfen ist einfach, Herr, vielleicht bin ich deshalb so gut darin«, gab ich zurück.
    »Ich habe mich in dir getäuscht, Herr Uhtred.«
    »Nein, Herr.«
    »Nein?«
    »Ich liebe die Dänen, Herr.«
    »Und doch bist du das Schwert der Sachsen?«
    »Wyrd biö fal aræd, Herr«, sagte ich.
    Er schloss erneut die Augen. Er lag so still da, dass ich ein paar Momente lang glaubte, er würde sterben, doch dann öffnete er die Augen wieder und blickte wie zuvor stirnrunzelnd zu den rauchgeschwärzten Deckenbalken empor. Er versuchte, ein Stöhnen zu unterdrücken, doch es schlüpfte ihm über die Lippen, und ich sah den Schmerz über sein Gesicht ziehen. »Es ist so schwer«, sagte er.
    »Es gibt Tränke, die gegen die Schmerzen helfen, Herr«, sagte ich hilflos.
    Langsam schüttelte er den Kopf. »Nicht die Schmerzen, Herr Uhtred. Wir sind zum Leiden geboren. Nein, das Schicksal ist schwer zu verstehen. Ist alles vorherbestimmt? Das Vorauswissen ist kein Schicksal, also können wir selbst unseren Weg wählen, und doch sagt das Schicksal, dass wir unseren Weg nicht selbst wählen können. Wenn es das Schicksal wirklich gibt, haben wir dann überhaupt eine Wahl?« Ich sagte nichts, ließ ihn dieses unlösbare Problem allein überdenken. Er sah mich an. »Was würdest du dir für ein Schicksal wünschen?«, fragte er.
    »Ich würde Bebbanburg zurückerobern, Herr, und wenn ich auf dem Sterbebett liege, will ich, dass es im Palas von Bebbanburg steht und mir das Rauschen des Meeres im Ohr klingt.«
    »Und mir klingt Bruder John in den Ohren«, sagte Alfred erheitert. »Er sagt ihnen, sie sollen ihre Münder aufreißen wie hungrige Vögelein, und sie tun es.« Er legte seine Rechte wieder über Osferths Hand. »Und mich betrachtet man hier auch als hungriges Vogelküken. Sie füttern mich mit dünner Schleimsuppe, Herr Uhtred, und bestehen darauf, dass ich esse, aber ich will nichts essen.« Er seufzte. »Mein Sohn«, er meinte Osferth, »erzählt mir, du wärst ein armer Mann. Warum? Hast du nicht in Dunholm ein Vermögen erbeutet?«
    »Das habe ich, Herr.«
    »Hast du es vergeudet?«
    »Ja, ich habe es vergeudet, nämlich in Euren Diensten, Herr, für Männer, Rüstungen und Waffen. Für die Bewachung der mercischen Grenze. Für die Ausstattung einer Armee, um Haesten zu schlagen.«
    »Nervi bellorum pecuniae«, sagte Alfred.
    »Aus Eurer Heiligen Schrift, Herr?«
    »Von einem weisen Römer, Uhtred, der gesagt hat, Geld ist die Stärke des Krieges.«
    »Er wusste, wovon er spricht, Herr.«
    Alfred schloss die Augen, und wieder sah ich ihn vor Schmerzen das Gesicht verziehen. Er presste den Mund zusammen, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Der Geruch im Zimmer wurde noch übler. »In meinem Bauch ist eine Geschwulst«, sagte er, »wie ein Stein.« Er hielt inne und versuchte erneut, ein Stöhnen zu ersticken. Eine einzelne Träne stahl sich aus seinem Auge. »Ich betrachte die Uhrenkerzen«, sagte er, »und ich frage mich, wie viele Streifen ich wohl noch schmelzen sehe.« Er zögerte. »Ich messe meine Lebenszeit in Fingerbreit ab. Morgen kommst du wieder, Herr Uhtred.«
    »Ja, Herr.«
    »Ich habe meinem«, er unterbrach sich, dann tätschelte er Osferth die Hand, »meinem Sohn einen Auftrag gegeben.« Er schlug die Augen auf und sah mich an. »Mein Sohn ist beauftragt, dich zum wahren Glauben zu bekehren.«
    »Ja, Herr«, sagte ich, weil ich nichts anderes zu sagen wusste. Über Osferths Wangen liefen Tränen.
    Alfred sah zu dem großen Lederbild hinüber, das die Kreuzigung zeigte. »Fällt dir an diesem Gemälde irgendetwas Seltsames auf?«, fragte er mich.
    Ich starrte das Bild an. Jesus hing am Kreuz, blutüberströmt, die angespannten Sehnen seiner Arme hoben sich gegen den dunklen

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