Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
anzupöbeln, versuchte sogar, sie anzugreifen. Das lässt kein Polizist ungestraft mit sich machen. Natürlich drehten sie mir den Arm nur noch heftiger um. »Was soll der Scheiß«, brüllte ich, »warum springen Sie so mit mir um?« »Zu Ihrer eigenen Sicherheit«, kam es als Antwort.
Endlich hielt ich still, sie nahmen mir Blut ab und natürlich war mein Promillegehalt wieder weit über dem erlaubten Wert. Den Führerschein, den ich vor wenigen Monaten erst zurückbekommen hatte, war ich wieder los.
Das Essen vom Chinamann war längst kalt, als ich wieder in meine Wohnung zurückkam und Carmen am Telefon von der Aktion berichtete.
Am 8. September 1999 kam es zum nächsten Eklat. An diesem Tag feierte mein Sohn seinen neunten Geburtstag. Ich war zu seiner Party nicht eingeladen. Mehrfach versuchte ich ihn anzurufen, doch Carmen blockte alle meine Anrufe ab. »Lass uns einfach in Ruhe«, schrie sie ins Telefon, »wir wollen hier Tomeks Geburtstag feiern.«
Wir? War ich nicht auch »Wir«?
Wütend schmiss ich das Telefon in die Ecke und goss mir erst mal das nächste Glas voll. Stundenlang trank ich so vor mich hin, dann fasste ich einen Plan. Von meiner Bude bis zur Wohnung meiner Frau waren es etwa 15 Kilometer – wenn man die Haupt- und Nebenstraßen mied. Und das wollte ich tun. Ich riss mir die letzte Büchse Bier auf und marschierte los: Durch Wald und über matschige Wiesen, über Stacheldrahtzäune und Kuhweiden erreichte ich nach einer halben Ewigkeit mein Ziel. Es war längst dunkel. Ich klingelte Sturm und verlangte lautstark nach meinem Sohn. Durch die Milchglasscheibe der Haustür sah ich Licht brennen. Niemand machte auf. Immer heftiger drückte ich die Klingel und schlug mit den Fäusten gegen die Tür.
Irgendwann reicht es mir: Ich trat die Tür ein.
Plötzlich stürzten sich zwei bullige Typen auf mich, der eine hatte einen Baseballschläger in der Hand und versuchte, mir das Ding über den Kopf zu ziehen. Ich wehrte den Schlag ab, taumelte nach hinten, die Kleiderschränke drückten die Tür zu. Mit der Faust schlug ich die Scheibe ein und für einen kurzen Moment sah ich durch das Loch meine Kinder. Meinen Sohn, das Geburtstagskind. Er weinte und hatte Angst. Vor seinem eigenen Vater.
Mit blutiger Faust ergriff ich die Flucht und rannte davon. Über den Hof, die Straße und ab ins nahe Maisfeld. Kurze Zeit später holte mich die herbeigerufene Polizei ein.
Mein Verhalten brachte mir einen erneuten Termin vor dem Richter ein. Diesmal reichte es dem Mann, der mich in der jüngeren Vergangenheit schon mehrfach wegen verschiedener Delikte verurteilt hatte. Er erteilte mir ein Besuchsverbot für meine Familie und sagte dann: »Herr Borowka, ich bin es langsam leid, Sie hier dauernd vor mir sitzen zu sehen. Das Maß ist voll. Diesmal schicke ich Sie in den Bau!« Mir rutschte das Herz in die Hose. »Aber«, sagte der Richter, »bevor das passiert, gebe ich Ihnen noch eine allerletzte Chance. Sie geben mir hier und heute Ihr Wort, dass Sie sich, so lange ich Richter an diesem Amtsgericht bin, nie wieder im Landkreis Erkelenz blicken lassen. Sie bekommen von mir eine Geldstrafe, die zahlen Sie und hauen ab. Wenn ich Sie noch einmal hier sehe, sperre ich Sie weg. Endgültig.«
Doch nichts konnte mich davon abhalten, weiter meine Kinder sehen zu wollen. Besuchsverbot hin oder her. Noch mehrmals tauchte ich vor der Wohnung meiner Ex auf, klopfte gegen Scheiben, klingelte Sturm, trat gegen die Tür. Es muss eine schlimme Zeit für Tomek und Irina gewesen sein, ihren Vater vor der eigenen Haustür wie einen Hooligan randalieren zu sehen. Erst nach meiner Therapie nahm ich den Warnschuss ernst und habe bis heute sein Hoheitsgebiet nicht mehr betreten. Selbst als ich Ende 2001 eine Anfrage für eine Autogrammstunde in Erkelenz bekam, sagte ich ab.
Lag es an dieser komplizierten Situation, dass ich Ende des Jahres 1999 so freimütig auf das Angebot eines Bekannten einging? Der Mann sprach mich irgendwann in einer meiner Stammkneipen an. Ob ich nicht Lust hätte, auf seine Kosten für ein Wochenende in die Türkei zu fliegen, um dort in einem hübschen Bungalow mit hübschen Bezahldamen eine gute Zeit zu haben. Einzige Bedingung: Ich müsste eine Kleinigkeit für ihn erledigen.
Ich Idiot sagte begeistert zu.
Es kam mir nicht mal in den Sinn, mich zu fragen, warum dieser Kerl, der mich ja eigentlich gar nicht kannte, so freimütig auf einen Trip in die Türkei einlud. Und was für »eine
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