Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
doch noch kommt, ist das eine gute Chance, um über die Vergangenheit und Gegenwart zu sprechen. Ich hoffe doch ein bisschen, dass es klappt. Meine Therapiebilanz zu schreiben, war so weit kein Problem. Die letzten Sätze sagen aus, wie ich mich gefühlt habe.
BAD FREDEBURG
In der Entzugsklinik
Ich brauchte Hilfe. Ich war nicht mehr in der Lage, mir selbst zu helfen. Schlimmer noch: Ich wollte mein Problem einfach nicht erkennen. Es war ja nicht so, dass ich in den Spiegel schaute und sagte: Du hast ein Alkoholproblem! Du bist ein Trinker und ein Säufer, und wenn du nicht aufpasst, bringt der Alkohol dich um! Siehst du nicht, was der Alkohol schon mit dir gemacht hat? Er hat dein Leben zerstört, deine Karriere ruiniert und dir deine Familie genommen! Hol dir endlich Hilfe!
Nein, so war es leider nicht. Viele Alkoholiker kennen das Problem: Es dauert unendlich lange, bis man sich seiner Dämonen bewusst wird. Im Laufe der Jahre hatte ich gelernt, mich bei jeder Gelegenheit selbst zu belügen. Ich glaubte mir schon selber nicht mehr.
Ähnlich verhielt es sich bei meinen Eltern, meiner Schwester oder meinen wenigen Freunden, allen voran Balli. Sie bemerkten wohl, dass es mir schlecht ging. Aber wenn sie mich darauf ansprachen, redete ich das Problem klein. Als das Jahr 2000 begann, war es allerdings nicht mehr zu übersehen: Der Alkohol fraß mich auf, und wenn ich noch irgendetwas im Griff hatte, dann war es die nächste Flasche Schnaps.
Trotz meiner Sauferei hatte ich in den zurückliegenden Jahren in unregelmäßigen Abständen ein paar Spiele für die Weisweiler-Elf, die Mönchengladbacher Traditionsmannschaft, bestritten. Ich wohnte ja wieder vor den Toren des Bökelbergs, regelmäßig erhielt ich Einladungen von den Verantwortlichen. Im Februar 2000 tauchte ich plötzlich im Büro meines alten Mitspielers Christian Hochstätter auf, der inzwischen als Sportdirektor für die Borussia arbeitete. Ich weiß nicht mehr genau, warum ich ohne Termin vor seinem Schreibtisch landete, wahrscheinlich ein neuerlicher Versuch, einen ehemaligen Weggefährten um Geld anzupumpen. Christian merkte sofort, dass ich in den letzten Zuckungen lag. Ich sah furchtbar aus und stank wie eine Zapfanlage. Kaum war ich wieder verschwunden, suchte er das Gespräch mit Gladbachs Präsidenten Wilfried Jacobs und erzählte ihm von meiner Situation. Die beiden wurden sich schnell darüber einig, dass mir geholfen werden musste. Nur wie? Jacobs wusste, was zu tun war: Er rief seinen alten Bekannten, Dr. Dieter Geyer von der Suchtklinik Bad Fredeburg, an, um sich nach einem freien Platz für den ehemaligen Fußballer Uli Borowka zu erkundigen.
Ich bekam von alledem nichts mit. Der Alltag ging seinen gewohnten Gang. Bis zum 6. März 2000. Da klingelte mein Telefon, am anderen Ende der Leitung war Robby Hansen, der Betreuer der Weisweiler-Elf. »Uli, mach dich bereit, ich hole dich in drei Tagen ab.« »Sehr schön, wo steigt das Spiel?« »Kein Spiel, keine Party. Ich fahre dich nach Bad Fredeburg in die Suchtklinik. Die werden dir helfen. Am Donnerstag um Punkt neun Uhr stehe ich vor deiner Tür.« Robby legte auf. Ich überlegte. Bad Fredeburg? Suchtklinik? Hatte ich das nötig? Andererseits: Warum eigentlich nicht? Und wenn der Laden mir nur helfen konnte, mich ein wenig von meinem verschissenen Leben abzulenken, hätte sich die Anfahrt schon gelohnt.
Am Abend vor dem vereinbarten Termin ließ ich es noch einmal richtig krachen. Ich schüttete jeden Tropfen Alkohol, den ich in meiner Wohnung finden konnte, in mich hinein. Bis ich irgendwann einfach umkippte und auf meiner Matratze einschlief.
Das Hupen weckte mich. Draußen vor meiner Tür stand Robby Hansen mit laufendem Motor. Ich schnappte meine Tasche und stolperte aus dem Haus. Auf der zweistündigen Fahrt zur Klinik sprachen wir nur wenig. Mein Kopf war leer. Mal sehen, was mich da so alles erwartete.
Das Erste, was ich in der Klinik sah, die mir das Leben retten sollte, war das Sixpack Bier in der Hand eines Mannes, der sich direkt vor mir am Empfang meldete. »Bei uns herrscht strenges Alkoholverbot«, sagte die Dame hinter dem Tresen. »Bitte entsorgen sie umgehend das Bier.« Das brauchte man dem Mann nicht zweimal zu sagen. Kurzerhand setzte er sich auf die Bordsteinkante gleich gegenüber dem Empfangshaus und leerte die sechs Dosen in schnellen Zügen. Offensichtlich nicht sein erster Alkohol an diesem Tag. Als ich ihn Stunden später beim Klinikarzt ins Röhrchen pusten
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