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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Raack
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Eingeständnis, ein Problem mit dem Alkohol zu haben, bedeutet, Schwächen zuzugeben. Persönliche, ganz intime Schwächen. Das fällt sicherlich den meisten Menschen sehr schwer, aber für mich, der ja sein komplettes Image und damit seine Identität darauf aufgebaut hatte, stets der Härteste und Brutalste zu sein, war das eine extrem hohe Hürde. Je mehr ich mein Verhalten der vergangenen Jahre durchschaute, desto klarer wurde mir, warum ich mich vor allem auf dem Fußballplatz wie ein gefühlskalter Roboter benommen hatte. Die Furcht davor, nach dem Spiel vor meinen Mitspielern, dem Gegner, den Zuschauern, als Weichei oder gar als Versager dazustehen, der Druck, den ich mir selber machte, hatte mich dazu gezwungen, den harten Mann zu markieren. Eher kloppte ich den gegnerischen Spielmacher über die Seitenlinie und holte mir dafür eine Ladung Hass aus der gegnerischen Kurve ab, als mir den Vorwurf gefallen zu lassen, nicht gut genug für die Spitze zu sein. Nicht falsch verstehen, ich gefiel mir mit meinem gefährlichen Image – zum Teil sogar noch heute –, und doch trieben mich die Angst, der Druck und mein daraus resultierendes Verhalten Stück für Stück in die Sucht. Vielleicht hätte es mir geholfen, wenn mich meine Trainer oder ältere Spieler zur Seite genommen hätten, um mir zu sagen, dass die Angst vor der Niederlage und dem Versagen eine ganz normale Begleiterscheinung im Leistungssport ist – doch so etwas war insbesondere in den achtziger und frühen neunziger Jahren im deutschen Fußball nahezu unmöglich. Bis heute hat sich daran ja eigentlich nicht viel geändert. Die Zahl derer, die offen über persönliche Ängste oder Schwächen sprechen, ist erschreckend gering. Und ich kann meine Nachfolger verstehen. Image ist im Fußball immer noch alles – vor allem dann, wenn man nicht vom Talent geküsst ist, sondern sich seinen Platz an der Sonne hart erkämpfen muss.
    In Fredeburg ging es zunächst vor allem genau darum: Dass ich aufhörte, mir selbst etwas in die Tasche zu lügen, dass ich meine Fehler eingestand. Ich bin froh, diesen ersten Schritt überhaupt geschafft zu haben. Viele Alkoholiker sind unglaublich erprobt darin, sich bis zum bitteren Ende selbst zu verarschen und ihrer Umwelt etwas vorzugaukeln. So ganz ließ ich mir allerdings die Maske nicht vom Gesicht reißen. In meinem abschließenden Therapiebericht heißt es recht treffend: »Auffällig blieb, dass Herr B. in der Bezugsgruppe, die ausschließlich aus Männern bestand, nur selten in der Lage war, seine weichen Seiten zuzulassen und Sensibilität im Kontakt mit sich selbst und anderen zu zeigen. In Einzelgesprächen gelang ihm dies dagegen mit zunehmender Therapiedauer häufiger, so konnte er hier seine Traurigkeit über das Scheitern der Ehe und über das bis heute kaum erlebte Heranwachsen der Kinder zulassen.« Weiterhin versuchte ich also in der Gruppe den harten Mann zu mimen. Glücklicherweise verhielt ich mich in den Einzelgesprächen anders. Wer weiß, ob ich sonst die Therapie erfolgreich überstanden hätte.
    Wie gefährlich die Krankheit wirklich sein konnte, musste ich bereits in den ersten zwei Wochen erfahren. Es war üblich, dass sich Patienten am Tag ihrer Entlassung mit Kaffee und Kuchen bei den Mitpatienten verabschiedeten. Werner war einer der Ersten, dem ich persönlich alles Gute für die Zukunft wünschen durfte. Mit vollem Mund und leuchtenden Augen berichtete er uns von seinem viermonatigen Aufenthalt und seinen Plänen für die Zukunft. Seine Frau hatte ihn zwar verlassen, doch »jetzt kaufe ich mir ein neues Auto, renoviere die Bude neu und fange einfach noch mal von vorne an!« Werner klang so enthusiastisch, so lebensmutig, dass ich ihm begeistert zuhörte.
    Acht Tage später erhielten wir die Nachricht, dass Werner sich umgebracht hatte. Sturzbetrunken war er mit seinem Wagen vor das Haus seiner Exfrau gefahren, dort hatte er gehupt und gewartet, bis seine Ex am Fenster erschien. Dann hatte er sich selbst angezündet und war in seinem Auto bei lebendigem Leib verbrannt.
    Eine furchtbare Tragödie. Aber Werners grausamer Tod machte mir eines klar: Die Gefühle sind tausendmal stärker als der Kopf. Wer glaubt, nur durch gute Vorsätze und vernünftiges Denken den Alkohol und seine Sucht zu besiegen, der bekommt früher oder später Probleme. Ein Suchtkranker muss immer auf der Hut sein, muss immer aufpassen. Bis heute bin ich selbst, gemeinsam mit meiner Frau Claudia, mein strengster

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